Vergangenen November protestierten rund 20 Aktivist*innen des Aktionsbündnisses Defend Rojava Münster am Flughafen Münster-Osnabrück mit einer Blockadeaktion am Check-In-Schalter der türkischen Fluggesellschaft SunExpress gegen den Angriffskrieg der Türkei in Rojava. Fluggäste waren vorübergehend daran gehindert worden, einzuchecken. Währenddessen wurden sie darüber informiert, welcher Menschenrechtsverletzungen sich die türkische Regierung in Rojava schuldig macht. Die Aktion reihte sich ein in ähnliche Proteste bundesweit sowie weltweit, mit denen durch Blockaden von Fluglinien Solidarität mit dem basisdemokratischen Gesellschaftsprojekt in Rojava, das von der Türkei im Bündnis mit dschihadistischen Milizen angegriffen wird, ausgedrückt werden sollte.
Auf Betreiben des Flughafens Münster-Osnabrück wurden gegen die an der Blockade beteiligten Aktivist*innen mehrere Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und Nötigung eingeleitet. Der Flug war damals pünktlich gestartet, der Flughafenbetreiber begründet die Anzeigen jedoch damit, dass die Passagiere „sehr lange“ in einer Schlange stehen mussten und deshalb ein neuer Schalter hätte aufgemacht und von Polizisten geschützt werden müssen. Wir veröffentlichen nachfolgend eine Stellungnahme des Aktionsbündnisses Defend Rojava Münster zur Intervention am Flughafen am 7. November 2019 und der staatlichen Repression gegen Beteiligte:
Ab dem 09.10.2019 griff die Türkei, begleitet von islamistischen Terrorbanden (Ableger von al-Kaida, ehemalige IS-Mitglieder) die selbstverwalteten Gebiete im Nordosten Syriens an. Aufgrund der dramatischen Bilder, der abscheulichen Kriegsverbrechen und den schlimmen Erfahrungen durch die Besatzung Afrîns ab März 2018, aber auch angewidert durch die KomplizInnenschaft der deutschen Bundesregierung sowie deutscher Konzerne an diesem Krieg, sahen wir uns verpflichtet, in den Prozess der Kriegsunterstützung durch SunExpress (Tochter von Turkish Airlines) und den Flughafen Münster/Osnabrück einzugreifen. Die Kriege des Despoten Erdoğan werden zu einem großen Teil mit Einnahmen aus dem Tourismussektor finanziert, daher tragen sowohl TouristInnen, als auch Fluggesellschaften und Flughäfen eine Mitverantwortung für die Verbrechen in Nordostsyrien.
Seitdem Gebiete zwischen Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) besetzt sind, haben sich alle Befürchtungen, die uns veranlassten, diese Aktion durchzuführen, bewahrheitet. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht, die Verbliebenen werden einem brutalen, islamistischen Besatzungsregime unterworfen, in welchem Mord, Vergewaltigung, Plünderungen und Entführung an der Tagesordnung sind. Frauen finden sich, wie damals unter der Herrschaft des Islamischen Staats, als Menschen zweiter Klasse wieder, jegliches Selbstbestimmungsrecht wird ihnen verweigert, die Vollverschleierung ist Pflicht.
Durch die Besatzung fiel auch medizinisches Gerät an die Türkei und ihre Dschihadisten, unter anderem das einzige Gerät in Nordostsyrien, mit dem Tests auf das Corona-Virus durchgeführt werden könnten. Ebenso fiel ein Wasserwerk in die Hände der Besatzungstruppen, welches diese dazu nutzten, mitten im Ausbruch der Corona- Pandemie, einer Region mit über 500.000 EinwohnerInnen, darunter das Flüchtlingscamp al-Hawl, das Wasser abzudrehen.
Sowohl die Bilder während des Angriffes, als auch die Nachrichten seitdem, bestätigen uns als langjährige AktivistInnen gegen Krieg und Unterdrückung darin, dass die am 07.11.2019 am Flughafen Münster/Osnabrück durchgeführte Aktion sowohl moralisch richtig, als auch der Situation angemessen und notwendig war. Nun will uns der Staat wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und Nötigung belangen. Da durch unsere Aktion letztendlich kein Schaden entstanden ist und bei vergleichbaren Aktionen oftmals von Strafverfolgung abgesehen wird, müssen wir davon ausgehen, dass diese politisch motiviert ist. Kaum eine Community in Deutschland erfährt dermaßen viel politisch motivierte Repression wie die kurdische und ihre UnterstützerInnen. Deutschland benutzt mal wieder das Strafrecht, um diejenigen zu kriminalisieren, die ans Tageslicht zerren, was es heißt, deutsche Interessen im Ausland zu vertreten. Hierbei geht es um Absatzmärkte und die ausbeuterischen Produktionsstätten deutscher Unternehmen, den Verkauf von Waffen durch Rheinmetall, Krauss-Maffai Wegmann und andere, geopolitische Bündnisse für die Kriege von morgen sowie den menschenverachtenden EU-Türkei-Deal. Menschen und ihre Rechte haben hier keinen Platz, sie werden zur Verhandlungsmasse, ihre Leben sind in den Augen der herrschenden Klasse wertlos.
Wir fordern hiermit die Einstellung aller Verfahren, die Beendigung der Unterstützung der türkisch-dschihadistischen Banden durch die deutsche Bundesregierung und Unternehmen sowie den Abzug aller Besatzungskräfte aus Afrîn und der Gegend zwischen Girê Spî und Serêkaniyê.