Mithat Sancar: Der Kobanê-Prozess ist ein Komplott

Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar bewertet den in Ankara laufenden „Kobanê-Prozess“ als politisches Komplott und erklärt: „Wir werden uns von diesem kaputten System befreien. Die notwendige Stärke dafür haben wir, wir stehen auf der Seite der Wahrheit."

In Ankara ist der „Kobanê-Prozess“ gegen 108 Angeklagte, darunter fast der ganze ehemalige Vorstand der Demokratischen Partei der Völker (HDP), fortgesetzt worden. Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar beobachtet den Prozess und hat sich vor dem Gefängniskomplex Sincan, in dem unter Hochsicherheitsbedingungen verhandelt wird, dazu geäußert. Sancar erklärte, dass das gesamte Verfahren von Anfang bis Ende eine Inszenierung ist, die von den politischen Machthabern aus Rache betrieben werde. Es handele sich um ein politisches Komplott gegen seine Partei.

„Es gibt Hunderte zusätzliche Akten, die angeblich innerhalb von drei Tagen geprüft und angenommen worden sind. Darauf hat Selahattin Demirtaş bei der gestrigen Verhandlung hingewiesen: Um die gesamte Akte zu prüfen, muss man mindestens neun Tage ohne Unterbrechung lesen. Das Gericht behauptet, die Akte innerhalb von drei Tagen sorgfältig geprüft zu haben. Wir wissen, dass die Richter die Anklageschrift nicht gelesen haben. Wir wissen auch, wo sie geschrieben worden ist: In den finsteren Zentren der Regierung“, so der HDP-Vorsitzende.

Laut Sancar soll der Prozess offenbar so schnell wie möglich durchgezogen werden: „Es werden Beweise aufgereiht, aber ein großer Teil dieser vermeintlichen Beweismittel taucht gar nicht in der Anklageschrift auf. Die Richter verhalten sich nicht nur parteiisch, sondern gleichzeitig auch rechtsverletzend. Dieser Komplott-Prozess lässt sich ohnehin nicht ohne illegale Mittel führen. Die Richter begehen eine Straftat. Diejenigen, die ihnen den Befehl dazu erteilen, begehen eine Straftat. Was angeklagt werden müsste, ist das, was die politischen Machthaber 2014 getan haben. Eines Tages werden sie dafür vor einem gerechten Gerichtshof Rechenschaft ablegen müssen.“

Wir müssen diese Ordnung verändern“

Weiter sagte Sancar: „In der Türkei werden seit Tagen verschiedene Seiten schwerster Verbrechen verbreitet, aber keine Staatsanwaltschaft setzt sich in Bewegung. Gegen die HDP jedoch, gegen das kurdische Volk, werden mit unhaltbaren Behauptungen Prozesse angestrengt und höchste Strafen gefordert. Dass in der Türkei das politische System, das Rechtssystem, der gesamte Staat und die Gesellschaft verrotten, hängt mit der Kurdenfeindlichkeit und der Operation gegen die HDP zusammen. Keine dieser Entwicklungen finden unabhängig voneinander statt. Wenn wir diese Tatsache nicht sehen und nicht begreifen, dass das, was hier geschieht, zu den Hauptgründen für den erbärmlichen Zustand der Türkei zählt, dann können wir diese Ordnung nicht ändern. Wir wissen jedoch, dass sie unbedingt geändert werden muss.

Die Rechnung dafür geht an die gesamte Gesellschaft, aber vor allem an die von Armut Betroffenen. Das hier geführte Verfahren dient gleichzeitig als Vorhang, um von den Milliarden abzulenken, die der Bevölkerung aus der Tasche und vom Tisch gestohlen worden sind. Solange wir diesen Vorhang nicht lüften, können wir weder die mafiöse staatliche Ordnung noch die Auswirkungen der auf Plünderung und Raub basierenden Wirtschaft sehen. Unsere Freundinnen und Freunde werden vor Gericht all das vorlegen und die politischen Machthaber samt ihres verfaulenden Systems anklagen. Damit haben sie bereits begonnen, im Verlauf der Verhandlung werden noch umfassendere Aussagen folgen. Sie machen es im Gerichtssaal und auch wir werden weiterhin auf allen Ebenen der demokratischen Politik die Wahrheit zur Sprache bringen und offen darstellen. Und wir werden uns von diesem kaputten System befreien. Die notwendige Stärke dafür haben wir, denn wir stehen auf der Seite der Wahrheit.“