Kobanê-Prozess: „Racheverfahren gegen die HDP"

Beim zweiten Verhandlungstag im „Kobanê-Prozess“ in Ankara hat die ehemalige HDP-Vorsitzende Figen Yüksekdağ das Verfahren als „Verkörperung der Zerschlagungsoperation gegen die HDP“ bezeichnet. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

Der Prozess gegen führende Politikerinnen und Politiker der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Ankara wird am Donnerstag fortgesetzt. Angeklagt sind 108 Personen, darunter fast der gesamte ehemalige Parteivorstand, wegen des Aufrufs zur Verteidigung von Kobanê gegen den „Islamischen Staat“ im Jahr 2014. Von den Angeklagten sind einschließlich der ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ 28 Personen im Gefängnis.

Beim zweiten Verhandlungstag am Dienstag hatte Figen Yüksekdağ den Prozess als „Verkörperung der Zerschlagungsoperation gegen die HDP“ bezeichnet. Demirtaş, der wie Yüksekdağ über eine Videoschaltung im Gefängnis an der Verhandlung teilnahm, begründete seinen zu Prozessauftakt gestellten Befangenheitsantrag gegen die Richter und sagte: „Dieser Prozess ist kein Kobanê-Prozess, sondern ein politisches Racheverfahren gegen die HDP. Eines Tages wird auch ein Kobanê-Prozess eröffnet werden und es wird sich herausstellen, wer die wahren Verantwortlichen für die begangenen Massaker sind. Dann werden jedoch nicht wir die Angeklagten sein.“

Der Prozess verfolge ausschließlich politische Zwecke und die Anklageschrift habe keinerlei Wert, führte Demirtaş weiter aus. Es sei das erste Mal, dass eine Partei von einer Parteienkoalition, also der AKP und MHP, angeklagt werde. Die Befangenheit des Gerichts ergibt sich laut Demirtaş bereits aus der Tatsache, dass die 3530 Seiten umfassende Anklageschrift angeblich nach einer dreitägigen Prüfung angenommen wurde. „Selbst wenn man ununterbrochen 24 Stunden lang lesen würde, würde das neun Tage dauern“, sagte der kurdische Politiker, der selbst Jurist ist.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte am 22. Dezember 2020 die Freilassung von Demirtaş angeordnet und unter anderem festgestellt, dass in den Erklärungen für Kobanê nicht zu Gewalt aufgerufen worden ist. Allein für den ehemaligen HDP-Vorsitzenden fordert die Generalstaatsanwaltschaft bis zu 15.000 utopische Jahre Haft.