Mehr als zwanzig Festnahmen in Istanbul

Die Türkei dreht weiter an der Repressionsschraube gegen die demokratische Opposition. In Istanbul sind mindestens 22 Personen festgenommen worden, darunter auch kurdische Religionsgelehrte.

Die Türkei zieht die Repressionsschraube gegen die demokratische Opposition weiter an. In Istanbul sind am Samstag mindestens 22 Personen bei polizeilichen Operationen festgenommen worden. Wie es heißt, erfolgten die Festnahmen auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft.

Unter den Festgenommenen befinden sich wohl auch mehrere Mitglieder des Hilfs- und Solidaritätsvereins von meist kurdischenstämmigigen Religionsgelehrten DIAY-DER. Der Vereinsvorsitzende Ekrem Baran wurde auf die Wache der Jandarma (Militärpolizei) im Istanbuler Bezirk Maslak gebracht. Auch Mehmet Nas vom Demokratischen Islam-Kongress DÎK, einer Komponente des zivilgesellschaftlichen Dachverbands KCD (Demokratischer Gesellschaftskongress), befindet sich unter den Festgenommenen.

DIAY-DER-Vorsitzender Ekrem Baran

Zu den Hintergründen des Ermittlungsverfahrens lagen zunächst keine Informationen vor. Es wird vermutet, dass es sich um die üblichen Terrorverdächtigungen handelt, die gegen die Betroffenen erhoben werden. Der KCD etwa wurde trotz einer gegenteiliger Bewertung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von der türkischen Führung als „PKK-Struktur“ deklariert und von den Justizbehörden entsprechend behandelt. Die Kriminalisierung des KCD geht einher mit einem politischen Vernichtungsfeldzug gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung, der seit inzwischen sechs Jahren andauert.

EGMR: KCD ist legal

Die Große Kammer des EGMR hat in ihrem Urteil vom 22. Dezember 2020 zu Selahattin Demirtaş nicht nur die Freilassung des früheren HDP-Vorsitzenden angeordnet, sondern das Verhältnis zwischen Politik und Justiz in der Türkei gründlich aufgearbeitet. Das Urteil zeigt auf, wie die politischen Entwicklungen der vergangenen vier bis fünf Jahre über die Justiz organisiert wurden und bewertet die Verhaftungswelle vom 4. November 2016 gegen Politikerinnen und Politiker der HDP und ihrer Schwesterpartei DBP insgesamt. Das Urteil zeigt nicht nur auf, dass sie rechtswidrig verhaftet wurden, sondern insgesamt über die Justiz kriminalisiert werden. Zum KCD kommt das Straßburger Gericht zu dem Urteil, dass der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss eine legale Organisation ist und die Betätigung für ihn kein Beweis für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation sein kann.