Mehmet Öcalan: Keine Erwartungen an diesen Staat und seine Gesetze
Der Bruder des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan, Mehmet Öcalan, erklärt zur Isolation auf Imrali: „Ich habe keine Erwartungen an diesen Staat und seine Gesetze.“
Der Bruder des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan, Mehmet Öcalan, erklärt zur Isolation auf Imrali: „Ich habe keine Erwartungen an diesen Staat und seine Gesetze.“
Der letzte Kontakt des auf der Gefängnisinsel Imrali isolierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan mit der Außenwelt war ein Telefongespräch mit seinem Bruder Mehmet Öcalan am 25. März 2021. Das Gespräch wurde nach wenigen Minuten unterbrochen. Gegenüber ANF äußert sich Mehmet Öcalan pessimistisch in Bezug auf die aktuelle Lage auf Imrali.
„Wenn es um Imrali geht, wird jedes Recht ignoriert“
Mehmet Öcalan berichtet, dass im Moment immer wieder sogenannte Disziplinarstrafen gegen seinen Bruder genutzt werden, um der Isolation einen rechtlichen Anstrich zu geben. Zu diesem offenen Rechtsbruch sagt er: „Eine Person kann verurteilt oder verhaftet werden. Nach türkischem Gesetz haben diese Personen jedoch Rechte. Jeder kann sich mit seiner Familie und seinen Anwälten treffen. Aber wenn es um Imralı geht, wird dieses Recht ignoriert.“
„Die Lage sprengt die Definition von Isolation“
Öcalan erinnert daran, dass diese Situation nicht nur seinen Bruder, sondern auch dessen Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş betrifft, und fährt in Bezug auf Diskussionen in den Medien zu angeblich bevorstehenden Besuchen auf Imrali fort: „Vier Personen dürfen sich seit Jahren nicht mehr mit ihren Familienangehörigen, Verwandten oder Anwälten treffen. Nach türkischem Recht ist dies keine akzeptable Situation. Was Abdülkadir Selvi geschrieben oder nicht geschrieben hat, ist für mich nicht besonders wichtig. Es wird diskutiert und geredet, aber es passiert nichts, so sehe ich das. Ehrlich gesagt, habe ich keine Erwartungen an diesen Staat oder seine Gesetze. Seit dem 3. März 2020 haben wir uns nicht mehr als Familie treffen können. Das letzte Mal, als ich mit Abdullah Öcalan sprechen konnte, dauerte das Telefongespräch nur fünf Minuten. Das nennt man Isolation, aber ich denke, was gerade passiert, geht über Isolation hinaus. Wir müssen eine andere Definition finden. Die Republik Türkei muss einen anderen Namen dafür finden. Denn hier gibt es eine ganz persönliche Praxis. Diese Praxis hat nichts mit dem Gesetz zu tun, es ist eine rein politische Praxis und die Regierung ist für den politischen Teil verantwortlich.“
„Das Recht muss für alle gleich gelten“
Öcalan kritisiert auch Oppositionsparteien wie die CHP, die vorgeben, die Demokratie zu verteidigen, aber angesichts dieses Rechtsbruchs schweigen. Er unterstreicht, das Recht müsse für alle gleich gelten, und sagt: „Wir wollen auf einer Rechtsgrundlage und nicht nach Gerüchten handeln. Wir wollen, dass uns unsere gesetzlichen und demokratischen Rechte zugestanden werden.“
Seit einem Jahr keine Nachricht aus Imrali
Abdullah Öcalan ist seit 23 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Imrali unter Isolationsbedingungen inhaftiert. Am 7. August 2019 hatte er das letzte Treffen mit seinen Anwält:innen. Am 25. März 2021 gab es das letzte Telefongespräch mit seinem Bruder. Seitdem fehlt es an jedem Lebenszeichen von Imrali. 775 Anwält:innen und 29 Anwaltskammern, haben eine Petition gegen diesen Rechtsbruch gestartet. Der Verein der Antwält:innen für die Freiheit hat sich zuletzt im Juni ans Justizministerium gewandt. Bisher gibt es keine Erwiderung von Seiten des Ministeriums.