Liebig 34: „Werden Haus nicht freiwillig hergeben“

Die „Liebig 34" ist ein Symbol des linken Widerstands gegen die kapitalistische Moderne und seit 30 Jahren ein Fokus alternativer Entwicklungen. Am 9. Oktober wollen tausende Polizisten das Haus räumen. Die revolutionäre Linke kündigt Widerstand an.

Tausende Polizisten belagern den Kiez um die Liebigstraße in Berlin-Friedrichshain. Tausende Linke haben Widerstand angekündigt. Bereits in der Nacht zum Donnerstag ist es zu militanten Aktionen gegen die Polizei gekommen. In der Nacht zum heutigen Räumungstermin fanden Demonstrationen, Barrikadenbau und erste Scharmützel mit der Polizei statt. Vor dem Haus gibt es Polizeiübergriffe. Mit Selbstverteidigung gegen die Räumung des Hauses in der Liebigstraße 34 ist zu rechnen.

Räumung illegal

In einer Erklärung des anarcha-queer-feministischen Hausprojekts, das sich immer wieder auch deutlich solidarisch zur kurdischen Freiheitsbewegung gezeigt hat, heißt es, die Räumung zeige „eine Stadtpolitik auf, die im Sinne von Großinvestor*innen und Kapital handelt und nicht im Sinne der Menschen, die diese Stadt beleben und sie maßgeblich seit Jahrzehnten gestalten.“ Weiter schreibt das Projekt: „Mit der Liebig würde nicht nur ein zu Hause verloren gehen, ein kultureller Ort der Begegnung, sondern auch ein zentrales Stück Stadtgeschichte Berlins. Dass staatliche Strukturen nicht für alle Menschen gleich wirken, sondern sie im Gegenteil an vielen Stellen durch Repressionen und Diskriminierung einschränken, behindern und gewalttätig sind, mussten die meisten Menschen die in 30 Jahren auf verschiedene Weisen in der Liebig34 Zuflucht gefunden haben, am eigenen Leib erleben. Dass die Liebig34 versucht für diese Menschen ein Schutzraum zu sein, macht sie zu einem einzigartigen Ort. Zu einem unersetzbaren Ort in dieser Stadt.“

Liebig 34: Ort des Widerstands gegen Patriarchat und Transfeindlichkeit

Die Aktivist*innen stellen die wichtige Rolle des Hausprojekts dar und schreiben: „Die Liebig34 ist seit 30 Jahren ein Ort für Menschen, die von patriarchaler Gewalt verschiedenster Ausprägungen betroffen sind, die von Trans*feindlichkeit betroffen sind und auf andere Weisen marginalisiert werden. In dieser ganzen Zeit hat die Liebig34 Menschen, die Stalking erleben, einen Zufluchtsort gegeben, hat geflüchteten Menschen Zimmer zur Verfügung gestellt, wohnungslose Frauen* konnten dort an die Tür klopfen und in unserem Gästezimmer eine Weile von Kälte und Gewalt durchatmen. Betroffene von sexualisierter Gewalt erfahren an diesem Ort Solidarität und Schutz. Menschen, die nicht der binären Geschlechterordnung entsprechen oder entsprechen wollen, finden hier einen Raum zur Entfaltung, der in der Regel in einer heteronormativ strukturierten Gesellschaft nicht vorhanden ist."

Kampf gegen Gentrifizierung

„Die Neubauprojekte dieser Straße und dieser Stadt versprechen eine vermeintlich heile Welt, geschaffen für all diejenigen, die genügend Kapital haben, um sich den realen Widersprüchen und Problemen dieser Gesellschaft zu entziehen. Die Liebig34 ist ein Ort, an dem Menschen sich das nicht leisten können und wollen.“ Weiter heißt es: „Immer weniger solcher einzigartigen Orte, die Berlin zu ihrem Image als vielfältige und kulturell diverse Stadt verhelfen, existieren noch, sondern sie müssen Luxusbauten und Kapitalanlagen weichen. Die Liebig34 behindert durch ihre bloße Anwesenheit die voranschreitende Verdrängungsdynamiken im Nordkiez, die verheerende Auswirkungen auf die meisten Anwohner*innen hat. Viele alteingessene Bewohner*innen mussten bereits wegziehen. Andere bangen mit anstehendem Räumungstermin unseres Hauses um ihre eigene Existenz im Kiez. Der Dorfplatz und die Liebig sind ein Ort für viele Menschen, die in der Stadt der Reichen keinen Platz finden. Ein Angriff auf dieses Haus, ist ein Angriff auf all diese Menschen.“

Anarchistische Selbstorganisierung: Liebig34 ist unersetzbar

Projekte wie die Liebig34 sind über die Jahre ein Ort geworden, an dem Menschen sich selbst organisieren und selbstverwaltete Strukturen im hier und jetzt aufbauen. Es handelt sich nach Angaben des Projekts um einen der letzten solchen Räume in Berlin: „In Berlin gibt es kaum noch Möglichkeiten für Menschen, sich selbst in dieser Form des solidarischen Miteinanders zu organisieren. Und vor allem ist die Liebig als ein Haus, in dem sich ausschließlich LGTBIQ-Menschen auf diese Art und Weise organisieren, einzigartig. Wenn es geräumt wird, ist es nicht ersetzbar.“

Werden Haus nicht freiwillig hergeben“

Die Liebig34 kündigt Widerstand an: „Die Räumung der Liebig34 ist ein Gewaltakt, denn Menschen gewaltsam ihren Wohn- und Schutzraum zu nehmen, ist menschenverachtend. Doch die Liebig34 ist nicht einfach nur Haus, das bewohnt wird, die Liebig34 ist ein Haus das geliebt und gelebt wird, Tag für Tag, seit 30 Jahren. Und Orte, die man liebt, gibt man nicht so einfach auf. Man kämpft für sie, mit allen Mitteln. Mit allen Kräften. Und genau das werden wir machen. Wir werden dieses Haus nicht freiwillig hergeben, sondern jeden Teil unserer in Beton manifestierten Utopie verteidigen. Die Liebig34 lebt. Die Liebig34 bleibt.“