Kundgebung in Ravensburg für Frieden in Kurdistan
Angesichts der Ausweitung der Angriffe der Türkei gegen Südkurdistan haben Menschen in Ravensburg gegen Krieg und für Frieden demonstriert.
Angesichts der Ausweitung der Angriffe der Türkei gegen Südkurdistan haben Menschen in Ravensburg gegen Krieg und für Frieden demonstriert.
Angesichts der Ausweitung der Angriffe der Türkei gegen Südkurdistan haben sich am Sonnabend rund 30 Menschen in Ravensburg versammelt, um sich gegen Krieg und für Frieden auszusprechen. Eine der Forderungen war der sofortige Stopp von deutschen Waffenlieferungen an die Türkei. Unter den Beteiligten waren auch Aktivist:innen von JugendKämpft und dem Jugendforum Weingarten.
„Deutschland arbeitet immer noch eng mit dem Erdogan-Regime zusammen, obwohl es sowohl in der Türkei als auch den Nachbarstaaten permanent gegen die Menschenrechte verstößt. Ist das diese feministische Außenpolitik?“, fragte Sophia Herbst, eine der Teilnehmenden der Kundgebung auf dem Rivoliplatz neben dem Gänsbühl-Center.
Eine Beteiligte hielt im Namen von JugendKämpft eine leidenschaftliche Rede: „Wir stehen heute hier, weil wir anprangern möchten, dass der türkische Staat seit einer Woche erneut Südkurdistan bzw. den Nordirak bombardiert. Seit Anfang des Jahres starben bereits mehrere Zivilist:innen durch Bombardierungen von Dörfern, nun wurden die Angriffe massiv ausgeweitet. Und all das völkerrechtswidrig.
„Westliche Werte töten – Deutsche Waffen raus aus Kurdistan“ war in Ravensburg auf einem Banner zu lesen (c) Gudrun Bosh
Erdogan und andere möchten diese Taten als Terrorismusbekämpfung vermarkten, faktisch hat es aber ganz andere Gründe:
1. Geht es wirtschaftspolitisch um die Erschließung neuer Handelsrouten und Ölpipelines.
2. Möchten Erdogan und die AKP von einem historisch schlechten Wahlergebnis bei der Kommunalwahl vor einigen Wochen ablenken. Es ist ein Muster, dass sich über die Jahre immer und immer wieder beobachten lässt: Wenn’s Krisen in der Türkei gibt, beginnt Erdogan, Kurdistan bombardieren zu lassen. Es ist ein Ablenkungsmanöver, um von sich selbst abzulenken, im Sinne von „Schaut mal, wir haben doch einen gemeinsamen Feind.“ Und dieser gemeinsame Feind sind dann eben kurdische Menschen, die einfach nur in Frieden und Freiheit leben wollen, ohne ihre eigene Identität zu verleugnen.
Mir hat jemand etwas gesagt nach dem Motto, warum müsse man dazu jetzt eine Kundgebung machen, die Bombardierung Kurdistans ist ja sowieso Dauerzustand. Aber das ist doch keine Realität, an die wir uns gewöhnen dürfen!
Wenn wir jetzt schweigen, wird der türkische Staat sich darin bestätigt fühlen, dass die internationale Öffentlichkeit kein Problem damit hat, wenn er weiter völkerrechtswidrig Menschen massakriert, und wird das noch intensiver tun. Es besteht die ganz reale Gefahr einer Besatzung, die sich auch auf Regionen ausweiten könnte, die ezidisch geprägt sind.
Ezid:innen sind eine religiöse Minderheit und haben bereits unter dem sogenannten Islamischen Staat unfassbare Gewalt erlebt. Was ihnen angetan wurde, wird international und durch den deutschen Bundestag als Genozid erkannt. Besonders schlimm war es für die Frauen, die massenhaft vergewaltigt und als Sklavinnen verkauft wurden. Sich die Lebensgeschichten dieser ezidischen Frauen anzuhören, ist unfassbar schmerzhaft: immer wieder Vergewaltigung, Folter, Ausweglosigkeit. Als Feministin habe ich das Gefühl, mein Feminismus wäre wertlos, würde ich nicht für meine ezidischen Schwestern kämpfen.
Damals waren es ezidische und kurdische Kämpfer und es sei betont Kämpferinnen, die den sogenannten Islamischen Staat geschlagen und die besetzten Gebiete befreit haben. Dass es nun die gleichen Gebiete und Menschen sind, die durch Erdogan bedroht werden, ist einfach erschreckend und ekelhaft und ein Symbol gegen jede Menschlichkeit.
Jin, Jiyan, Azadî!
Der faschistische Kampf gegen Frauen ist natürlich international: Durch das Regime Erdogan und auch andernorts. Der feministische Kampftag wird in der Türkei jedes Jahr illegalisiert und durch Polizeigewalt begleitet, aus der Istanbul-Konvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist die Türkei ausgetreten. Drohnenangriffe in kurdischen Regionen sowohl im Irak als auch in Syrien oder Attentate gehen immer wieder gezielt gegen Akteurinnen der kurdischen Frauenbewegung. Beispielsweise wurde die feministische Wissenschaftlerin Nagihan Akarsel gezielt getötet. Oder erst vor kurzem wurde Halime Osman angegriffen, die Sprecherin einer Organisation gegen Gewalt an Frauen. Sie hat überlebt, aber ihr Bein musste amputiert werden.
Natürlich ist Erdogan beim besten Willen nicht der einzige Feind der Frauen, international werden unsere grundlegendsten Rechte immer wieder eingeschränkt, überall sollen wir klein gehalten werden.
Aber auch hier wieder die Frage, wer verteidigt uns als Frauen? Wir selbst natürlich, aber Vorreiterinnen in dieser Sache sind Vertreterinnen der kurdischen Frauenbewegung. Wenn sie nun angegriffen werden, ob in den Bergen Kurdistans oder in Europa (etwa durch die Einschränkung der Pressefreiheit), dann ist es unsere Pflicht und Verantwortung, uns dagegen zu wehren und sie zu verteidigen, wie sie uns verteidigen. Kein Ort auf dieser Welt ist isoliert und Feminismus muss internationalistisch sein.
Ich möchte schließen mit dem inzwischen bekannt gewordenen Slogan der kurdischen Frauenbewegung: Jin Jiyan Azadi!“
Die Demonstration wurde von kurdischen Liedern und Govend-Tänzen begleitet (c) Gudrun Bosh
Kritik an Repression gegen kurdische Exil-Sender in Belgien
Die Demonstrierenden kritisieren auch, dass zeitgleich zur Ausweitung der Angriffe in Südkurdistan – aktuell befindet sich vor allem die Metîna-Region im Visier türkischer Bomber – die in Belgien angesiedelten kurdischen Fernsehsender Stêrk TV und MedyaHaber TV Anfang der Woche auf Wunsch der französischen Antiterrorstaatsanwaltschaft von der belgischen Polizei gestürmt und Equipment zerstört wurden. „Wir fordern die belgische Regierung auf, den Staat Türkei daran zu hindern, die kurdische Frage nach Belgien zu exportieren. Wir fordern die Regierung Belgiens auf, sowohl die nationalen als auch die internationalen Gesetze einzuhalten und nicht gesetzlos im Einklang mit der Politik der Türkei zu handeln. Vor allem muss sichergestellt werden, dass Kurd:innen nicht zu Unrecht kriminalisiert werden. Die wertvolle Pressefreiheit darf nicht gefährdet werden, um die Regierung der Türkei zu beruhigen", hieß es in einem Flugblatt der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e. V., das an interessierte Passant:innen ausgegeben wurde.