Kundgebung für Şengal in Bielefeld

Ezidische Verbände haben in Bielefeld gegen den türkischen Drohnenangriff auf Şengal protestiert und das Schweigen der internationalen Öffentlichkeit zu den Verbrechen des Erdogan-Regimes verurteilt.

In Bielefeld hat am Samstag eine Kundgebung zur aktuellen Lage in Şengal stattgefunden. Diese wurde von dem Dachverband der Ezidischen Frauenräte e.V., dem kurdischen Volksrat Bielefeld und der Koordination der Ezidischen Gesellschaft in Europa organisiert. Hintergrund war der tödliche Drohnenangriff des türkischen Staates auf Şengal, bei dem am Freitag die beiden YBŞ-Kämpfer Azad Êzdîn (Sileman Şemo Yusuf) und Enver Tolhildan (Nacî Hecî Sebro) ums Leben gekommen waren.

Die Kundgebung begann mit einer Schweigeminute für alle Gefallenen. Dabei wurden Bilder von Azad Êzdîn und Enver Tolhildan hochgehalten. Anschließend wurden zahlreiche Redebeiträge vorgetragen, in denen der türkische Drohnenterror in Kurdistan verurteilt und darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das Erdogan-Regime parallel zu dem Wiederaufflammen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gezielt Menschen in Şengal angreift, die den IS-Genozid an der ezidischen Bevölkerung bekämpft und überlebt haben. Kritisiert wurde in den Reden auch das internationale Schweigen zu den türkischen Verbrechen.

Türkei bombardiert regelmäßig Şengal und andere Orte im Irak

Türkische Luftangriffe gehören in den kurdischen Teilen des Iraks zur Routine, werden seit dem Sommer 2020 jedoch intensiviert. Nahezu täglich kommt es seitdem zu Bombardierungen von Guerillagebieten und zivilen Siedlungen. Die türkische Führung beruft sich bei ihrem Vorgehen „gegen PKK-Stellungen“ auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe. Dennoch ist der von den USA und dem Irak kontrollierte Luftraum für türkische Kampfbomber freigegeben.

Gezielter Drohnenterror von Nato-Mitglied gegen Genozid-Überlebende

Ins Visier türkischer Kampfbomber und Killerdrohnen gerät auch immer wieder das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal. Die Türkei fühlt sich bedroht von den Selbstverwaltungsstrukturen, die von den Angehörigen der uralten Religionsgemeinschaft unter dem Eindruck des Völkermords der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) von 2014 mühsam aufgebaut wurden. Am 7. Dezember wurde der ezidische Politiker Merwan Bedel, der Ko-Vorsitzender des Autonomierats von Şengal war, bei einem gezielten Drohnenangriff auf sein Auto in Xanesor getötet. Nur vier Tage später wurde das Gebäude des Volksrates der ezidischen Kleinstadt attackiert, verletzt wurde niemand. Im August vergangenen Jahres bombardierte die türkische Luftwaffe sogar ein Krankenhaus in Şengal. Bei dem Angriff kamen vier YBŞ-Kämpfer und vier Gesundheitsbedienstete der Klinik ums Leben gekommen. Weil die internationale Gemeinschaft angesichts der türkischen Kriegsverbrechen schweigt, hält Ankara an seinem verbrecherischen Kurs fest.