Die türkische Luftwaffe hat erneut das ezidische Kerngebiet Şengal im südlichen Teil Kurdistans bombardiert. Getroffen wurde ein Fahrzeug, das sich auf einer Verkehrsstraße im Geliyê Şîlo südwestlich des Şengal-Gebirges bewegte. Mindestens zwei Menschen, bei denen es sich um den YBŞ-Kommandanten Azad Êzdîn (Sileman Şemo Yusuf) und den Kämpfer Enver Tolhildan (Nacî Hecî Sebro) handelt, kamen bei dem Luftschlag ums Leben. Zwei weitere Personen, deren Identität noch unklar ist, befinden sich mit teils schweren Verletzungen in einem Krankenhaus.
Ausgeführt wurde der Angriff um 15.30 Uhr Ortszeit von einer Killerdrohne des Nato-Staats Türkei. Völlig ausgebrannt steht das Fahrzeug am Straßenrand, Rettungskräfte waren schnell vor Ort. Ein zweites Fahrzeug, dass sich ebenfalls im Visier befunden haben soll, wurde nach Angaben vor Ort nicht getroffen.
Auch Menschen der lokalen Bevölkerung haben sich am Ort des Geschehens zusammengefunden und protestieren gegen die militärische Aggression der Türkei in der Region. Der Zorn richtet sich auch gegen die irakische Zentralregierung: Bagdad versucht gemeinsam mit der PDK, die in Hewlêr (Erbil) die Regierung dominiert, die Selbstverwaltung Şengals aufzuheben und das Gebiet unter ihre Kontrolle zu bekommen. Seit Tagen finden Verlegungen großer Truppenkontingente irakischer Streitkräfte in die Region statt, die ezidische Bevölkerung befürchtet eine militärische Eskalation.
Türkei bombardiert regelmäßig Şengal und andere Orte im Irak
Türkische Luftangriffe gehören in den kurdischen Teilen des Iraks zur Routine, werden seit dem Sommer 2020 jedoch intensiviert. Nahezu täglich kommt es seitdem zu Bombardierungen von Guerillagebieten und zivilen Siedlungen. Die türkische Führung beruft sich bei ihrem Vorgehen „gegen PKK-Stellungen“ auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe. Dennoch ist der von den USA und dem Irak kontrollierte Luftraum für türkische Kampfbomber freigegeben.
Gezielter Drohnenterror von Nato-Mitglied gegen Genozid-Überlebende
Ins Visier türkischer Kampfbomber und Killerdrohnen gerät auch immer wieder das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal. Die Türkei fühlt sich bedroht von den Selbstverwaltungsstrukturen, die von den Angehörigen der uralten Religionsgemeinschaft unter dem Eindruck des Völkermords der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) von 2014 mühsam aufgebaut wurden. Am 7. Dezember wurde der ezidische Politiker Merwan Bedel, der Ko-Vorsitzender des Autonomierats von Şengal war, bei einem gezielten Drohnenangriff auf sein Auto in Xanesor getötet. Nur vier Tage später wurde das Gebäude des Volksrates der ezidischen Kleinstadt attackiert, verletzt wurde niemand. Im August vergangenen Jahres bombardierte die türkische Luftwaffe sogar ein Krankenhaus in Şengal. Bei dem Angriff kamen vier YBŞ-Kämpfer und vier Gesundheitsbedienstete der Klinik ums Leben gekommen. Weil die internationale Gemeinschaft angesichts der türkischen Kriegsverbrechen schweigt, hält Ankara an seinem verbrecherischen Kurs fest.
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