Der oberösterreichische Motorenhersteller Rotax hat die Lieferung von Flugzeugtriebwerken in „Länder mit unklarer Nutzung” eingestellt. Damit folgt das Unternehmen einer Vorgabe seines Eigentümers, dem kanadischen Bombardier-Konzern, berichtete am Montag der STANDARD. Der in Gunskirchen bei Wels anässige Konzern entwickelt Motoren für Leicht- und Ultraleichtflugzeuge, die in türkischen Killerdrohnen verbaut werden. Die Drohnen werden nicht nur für gezielte Tötungen im Krieg gegen die Guerilla in Nord- und Südkurdistan sowie die YPG/YPJ in Rojava eingesetzt, sondern auch beim Krieg Aserbaidschans gegen die Kaukasusrepublik Arzach (Bergkarabach).
Von dem aktuellen Lieferstopp seien aber nicht nur die in der Türkei vom Konzern Baykar – das Unternehmen gehört dem Erdoğan-Schwiegersohn und MIT-Doktoranden Selçuk Bayraktar – produzierten Drohnen betroffen, sondern wohl auch jene der iranischen Revolutionsgarden, heißt es. Deren bewaffnete „Schahed 129”-Drohnen werden ebenfalls mit Rotax-914-Motoren angetrieben. Die Bayraktar-TB2-Kampfdrohnen werden von der Türkei auch exportiert, bekannt sind Lieferungen an die Ukraine und eben nach Aserbaidschan, wo sie derzeit neben Angriffseinsätzen auch für Aufklärungsflüge genutzt werden. Die in Österreich produzierte Technik ist auch in anderen Ländern gefragt: So treiben die Rotax-Motoren auch die Predator-Drohnen des US-Militärs an und sind in der israelischen Heron verbaut, die sich auch die deutsche Bundeswehr zugelegt hat.
Rotax: Selbst nicht verantwortlich
Nach STANDARD-Informationen fühlte sich Rotax für die Nutzung seiner Motoren bisher nicht verantwortlich, da sie als Freiwaren gelten und auch von internationalen Vertriebspartnern weiterverkauft werden. So sei die Türkei von Italien aus beliefert worden. Direkt würden keine Drohnen-Hersteller mit den Motoren für Leicht- und Ultraleichtflugzeuge beliefert, habe es dazu auf Nachfrage aus Gunskirchen geheißen.
Friedensinitiative: Strukturprobleme bei Rüstungskontrolle
Kelsey Gallagher ist Experte für Militärexporte bei der kanadischen Friedensinitiative Project Ploughshares. Er fordert, dass politische Strukturprobleme bei der internationalen Rüstungskontrolle aus dem Weg geräumt werden und auch Motoren, die nicht speziell für militärische Zwecke konstruiert wurden, als Komponenten von konventionellen Waffen deklariert werden. Die in Waterloo sitzende Organisation hatte der kanadischen Regierung jüngst vorgeworfen, mit Ausfuhrgenehmigungen von Drohnentechnik für Ankara gegen das globale Waffenhandelsabkommen zu verstoßen und damit Verbrechen in den Konfliktzonen des Nahen Ostens zu erleichtern.
Bericht bringt Kanada in Bedrängnis
In einem Ende September veröffentlichten Bericht von Project Ploughshares ging es konkret um den Export von elektrooptischen/infraroten Kamerasystemen mit Sensortechniken von L3Harris WESCAM, der kanadischen Tochtergesellschaft des US-Rüstungsriesen L3Harris. Der Konzern ist einer der weltweit führenden Hersteller und Exporteure von Elektro-Optik- und Infrarotkameras, der wichtigsten technologischen Ausstattung von bewaffneten und unbewaffneten Drohnen, mit einem jährlichen Exportvolumen von ca. 500 Millionen CAD. Die Türkei gehört seit inzwischen drei Jahren zu den Hauptabnehmern von elektrooptischen Kamerasystemen der kanadischen L3Harris WESCAM. Neben Baykar nutzt auch der Rüstungskonzern TAI die Kameras zur Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung. Die Kameraelemente aus kanadischer Produktion senden synchronisierte Aufnahmen an den Autopilot der Drohne und gewährleisten eine automatische Verfolgung des von der Kamera anvisierten Ziels.
Kanada stoppt Teil der Rüstungsexporte in die Türkei
Anfang Oktober hat Kanada einen Teil der Rüstungsexporte in die Türkei gestoppt. Grund waren Berichte über den Einsatz türkischer Drohnen in Arzach. Das türkische Außenministerium hat daraufhin Kanada vorgeworfen, sich nicht an den „Geist des NATO-Bündnisses“ zu halten. Die genannte Technologie werde auch im Jemen eingesetzt und es sei ein „doppelter Standard“, wenn gegen den Einsatz in Arzach protestiert werde.