Im Verfahren gegen Mustafa (Amed) Çelik wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland blieb heute vor dem Strafsenat des OLG Hamburg das Urteil ohne Überraschungen. Der kurdische Aktivist wurde zu zwei Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht folgte auch hier der durch politische Interessen geprägten Kriminalisierung der PKK durch den deutschen Staat und sprach den angeklagten Aktivisten in allen Anklagepunkten schuldig.
Die vorsitzende Richterin attestierte Çelik zwar erhebliche Einschränkungen der Menschenrechte und Gewalterfahrungen in der Türkei und zog auch seine gesundheitlichen Probleme in Betracht, blieb jedoch im Strafmaß nur einen Monat unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Richterin orientierte sich offensichtlich an dem Strafmaß gegen Çelik vor dem OLG Celle, vor dem der 43-Jährige 2016 zu zweieinhalb Jahren Haftstrafe verurteilt wurde. Da Çelik aufgrund seines auch nach diesem Urteil fortgesetzten politischen Engagement als „Wiederholungstäter“ gilt, wäre ein Unterschreiten dieses vorhergehenden Strafmaßes durchaus eine Karrieregefahr für die Richterin gewesen.
Beachtlicherweise schien die Richterin nicht willens oder in der Lage, die offensichtlichen Widersprüche dieser politisch geprägten Justiz zu verschleiern oder zu verdecken. So geißelte sie wiederholt die Mittel des Widerstandes der PKK gegen die Unterdrückung durch den türkischen Staat, bezeichnete jedoch an anderer Stelle eine Aussage von Abdullah Öcalan über seine Zielsetzung einer friedlichen Konfliktlösung als „durchaus zutreffend“. Sie lobte die zahlreichen Versuche der PKK, den Konflikt friedlich zu lösen, aber tat sie gleichzeitig als „gescheitert“ ab, ohne zu erwähnen, dass dieses Scheitern in der Wiederaufnahme der Gewalt durch das Erdogan-Regime bestand und dieser Verbündete des deutschen Staates somit der Aggressor ist.
Bei der Erwähnung des Kampfes gegen den IS erreichte die Widersprüchlichkeit absurde Züge, als mit dem militärischen Widerstand der PKK eben jene Mittel gegen die islamistischen Proxies der Türkei als „Dienst für alle“ ausdrücklich gelobt wurde, die gegen die Türkei selbst als Terrorismus gebrandmarkt wurden.
Die Richterin bescheinigte dem Angeklagten „nachvollziehbare Gründe für den Kampf für Menschenwürde und Gerechtigkeit“ und erwähnte die körperliche Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, die er in seiner Jugend durch den türkischen Staat erfahren habe. Welche Formen ein solcher Kampf gegen ein Unrechtsregime aber anzunehmen hat, um nicht durch deutsche Behörden verfolgt und Gerichte bestraft zu werden, blieb offen.
Irritiert zeigte sich die Richterin auch über die Weigerung des Angeklagten, mit dem Begriff des „Gebietsleiters“ eine Sprachschöpfung der deutschen Sicherheitsbehörden in den Mund zu nehmen, die explizit zur Verfolgung der kurdischen Bewegung in Deutschland konstruiert wurde.
Nicht müde wurde sie in der wiederholten Betonung, dass Deutschland ein Rechtsstaat sei. Die Spannung zwischen dieser Aussage und der Pflicht, im Namen dieses Staates Urteile zu sprechen, die die Unterdrückungspolitik der Türkei widerspiegeln, machten die Richterin offensichtlich derart dünnhäutig, dass sie die Personalien einer Zuschauerin, die darauf hinwies, polizeilich feststellen ließ.
Auch Rechtsanwalt Heinz Schmitt wies in einer Einschätzung des Urteils auf die politischen Verstrickungen hin, in der die Justiz durch die Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums von 2011 gefangen sei. Diese würde aus außenpolitischer Opportunität den Widerstand gegen Staatsterrorismus kriminalisieren und sei darüber hinaus gerichtlich nicht überprüfbar. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich dieses in einigen Jahren ändern werde und sich die deutsche Rechtspraxis nicht länger an den Kalkülen außenpolitischer Machtpolitik, sondern an rechtsstaatlichen Standarts orientieren werde.