KCK: Die Mörder von Merwan Bedel zur Rechenschaft ziehen

Der türkische Staat hat den tödlichen Drohnenangriff auf Merwan Bedel in Şengal durchgeführt, aber die dafür notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen wurden vom PDK-Geheimdienst Parastin bereitgestellt, erklärt die KCK.

Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) ruft nach dem gezielten Mord an Merwan Bedel zum verstärkten Kampf für den Aufbau eines freien und autonomen Êzdîxans [Land der Ezid:innen] auf: „Solange die Ezid:innen sich für ein freies und autonomes Êzdîxan einsetzen, kann keine Macht dieser Welt verhindern, dass sie ihr Ziel erreichen.“

In der vom Exekutivrat der KCK am Mittwoch veröffentlichten Erklärung heißt es:

Der völkermörderische, kolonialistische türkische Staat hat ein weiteres Massaker begangen. Er hat den Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der Selbstverwaltung der Region Şengal mit einer bewaffneten Drohne angegriffen. Während Merwan Bedel bei diesem Angriff ermordet wurde,
entgingen seine Kinder nur knapp dem Tod. Die Verantwortlichen für dieses Massaker werden definitiv von der Menschheit zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem steht außer Frage, dass die Sehnsucht Merwan Bedels nach einem freien Êzdîxan Wirklichkeit werden wird.

Merwan Bedel war eine der Führungspersönlichkeiten des ezidischen Volkes. Er kämpfte Schulter an Schulter mit der Guerilla gegen den Völkermordangriff des Islamischen Staates (IS) und trug maßgeblich zur Organisierung der Ezid:innen auf dem Şengal-Berg bei. Voller Dankbarkeit und Respekt gedenken wir diesem großen Widerstandskämpfer und drücken dem gesamten ezidischen Volk unser Beileid aus. Wir möchten erneut betonen, dass wir als Freiheitsbewegung immer an der Seite des ezidischen Volkes stehen werden.

Geheimdienstinformationen von der PDK

Der türkische Staat hat diesen Angriff durchgeführt. Doch die dafür notwendigen Geheimdienstinformationen wurden von Personen bereitgestellt, die vom Parastin [Geheimdienst der Demokratischen Partei Kurdistans, PDK] in Şengal organisiert wurden. Der MIT [türkischer Geheimdienst] und damit der türkische Staat erhalten ihre Informationen von eben diesen Personen. Durch Erklärungen leitender PDK-Funktionäre und durch Nachrichten, die von PDK-nahen Medien verbreitet werden, werden alle Ezid:innen, die für die Autonomie Şengals kämpfen, zu Angriffszielen gemacht, wodurch derartige Angriffe normalisiert und legitimiert werden. Nicht nur die Ezid:innen selbst, sondern alle Kurd:innen sind sich dessen eindeutig bewusst. Die PDK muss damit aufhören, den türkischen Staat zu Angriffen auf Gebiete außerhalb ihrer Kontrolle anzustiften.

Gefallene des Widerstandes gegen den IS

Alle ezidischen Führungspersönlichkeiten, die in der jüngeren Vergangenheit in Şengal ermordet wurden, hatten zuvor aktiv Widerstand gegen den IS geleistet und eine führende Rolle bei der Vertreibung des IS aus Şengal gespielt. In diesem Sinne sind Merwan Bedel, Sait Hesen und Zerdeşt Şengalî die Kommandanten des ezidischen Volkes. Sie sind die Weggefährten Derweşê Avdês. Und sie sind Gefallene des Widerstandes gegen den IS. Der türkische Staat rächt sich nun an diesen Widerstandskämpfern. Und die PDK legitimiert mit ihrer Politik, Haltung und ihren Erklärungen eben diese Angriffe. Dadurch macht sie sich mitverantwortlich für diese Racheangriffe.

Der erste große Völkermord des 21. Jahrhunderts wurde an den Ezid:innen in Şengal begangen. Noch immer befinden sich tausende ezidische Frauen und Mädchen in den Händen des IS. Dafür, dass Şengal in diese Situation geriet, sind neben dem Irak und der PDK alle Staaten verantwortlich, die im Mittleren Osten über militärischen und politischen Einfluss verfügen. Auch der türkische Staat – ein Verbündeter des IS – ist mitverantwortlich für diesen Völkermord. In absehbarer Zukunft werden alle Einzelheiten über die Zusammenarbeit des türkischen Staates mit dem IS zum Vorschein kommen. Viele Staaten verfügen über die entsprechenden Informationen, die diese Zusammenarbeit belegen. Sobald der IS, der den Völkermord begangen hat, vor ein internationales Gericht gestellt wird, wird die gesamte Wahrheit ans Tageslicht geraten.

Die PDK begeht ihren historisch schwersten Fehler

Mit seinen Angriffen möchte der türkische Staat die Völkermordangriffe des IS zu Ende bringen. Die PDK scheint davon auszugehen, dass im Falle einer Unterwerfung Şengals der Fakt in Vergessenheit geraten wird, dass es die PDK war, die keinen Widerstand gegen den IS leistete und damit die Ezid:innen einem Völkermord auslieferte. Anders lässt sich nicht erklären, warum sie die Angriffe des türkischen Staat rechtfertigt.

Unserer Auffassung nach begeht die PDK durch ihr Verhalten gegenüber den Ezid:innen ihren historisch schwersten Fehler. Dabei würde auch die PDK ihren Fehler vom 3. August 2014 wieder gutmachen können, wenn die Ezid:innen ihre Autonomie erreichen und die PDK dies anerkennen würde.

Verrat durch gebrochene Persönlichkeiten

An die Ezid:innen in Şengal, die die Geheimdienstinformationen für diese Massaker bereit stellen, wird man sich nur in Form ihres Verrates und all ihrer schlechten Taten erinnern. Historisch gesehen wurden Menschen dieser Art stets als Personen betrachtet, die ihr ganzes Volk für einen einzigen Teller Suppe verkaufen. In Kurdistan nennt man diese Menschen tirşikçi [Unruhestifter, Saboteure, Kollaborateure].

Die heutigen tirşikçi begehen diese Taten mit dem einzigen Ziel, eine kleine materielle Belohnung zu erhaschen. Die Ezid:innen müssen diese Art von Menschen unbedingt aus ihrer Gesellschaft ausschließen und es ihnen somit unmöglich machen, in ihrer Gemeinschaft zu leben. Bei diesen Menschen handelt es sich um gebrochene Persönlichkeiten, die es nicht verdienen, weiter auf der heiligen Erde der Ezid:innen zu leben.

Für ein freies und autonomes Êzdîxan kämpfen

Die Ezid:innen dürfen Persönlichkeiten wie Mam Zekî, Mam Beşîr, Seîd Hesen, Zerdeşt Şengalî und Merwan Bedel niemals vergessen. Sie müssen ihre Verbundenheit mit ihnen dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie für den Kampf und die Sehnsüchte all dieser Persönlichkeiten einstehen. Wenn ein Merwan fällt, müssen dutzende, hunderte Merwans seinen Platz einnehmen. Freiheit lässt sich nicht leicht erreichen. Um erneute Massaker zu verhindern, bedarf es eines freien und autonomen Êzdîxans. Sobald ein freies und autonomes Êzdîxans erreicht ist, werden auch die Massaker ihr Ende finden. Dann werden die Ezid:innen, eine der ältesten Glaubensgemeinschaften der Menschheitsgeschichte, die Kultur und Identität des Mittleren Ostens um viele wunderschöne Werte bereichern.

Die einzige angemessene Art und Weise, den vom IS ermordeten, entführten und gefallenen Menschen zu gedenken, besteht in einem freien und autonomen Leben der Ezid:innen. Genau das stellt heute die Sehnsucht aller Ezid:innen dar. Welch:e Ezid:in kann sich ernsthaft gegen dieses Ziel aussprechen? Wer sich nicht für ein freies und autonomes Êzdîxan einsetzt, steht entweder massiv unter Druck oder verfolgt primitive Eigeninteressen.

Als kurdische Freiheitsbewegung rufen wir alle Ezid:innen dazu auf, in Zukunft noch stärker für die Sehnsucht Merwan Bedels und aller Gefallenen von Êzdîxan, also für den Aufbau eines freien und autonomen Êzdîxans, zu kämpfen. Solange die Ezid:innen sich für ein freies und autonomes Êzdîxan einsetzen, kann keine Macht dieser Welt verhindern, dass sie ihr Ziel erreichen.