Istanbul: Künstler zur Militärpolizei vorgeladen

Mehmet Yönay leitete acht Jahre lang den Kunst- und Kulturverein Med-Der. Jetzt wurde er wegen Beiträgen in den sozialen Medien zur Kommandantur der Militärpolizei in Istanbul vorgeladen und mit seiner verhafteten Ehefrau erpresst.

Die Repression gegen die kurdische Opposition trifft auch kurdische Künstler*innen. Mehmet Yönay arbeitete lange Zeit im Mesopotamischen Kulturzentrum (NÇM) Istanbul und leitete acht Jahre lang den per Ausnahmezustandsdekret geschlossen Kunst- und Kulturverein Med-Der. Nun wurde er von der Provinzkommandantur der Militärpolizei vorgeladen und bedroht.

Yönay berichtete gegenüber ANF, dass die Militärpolizei ihn auf einem neuen Handy, dessen Nummer er noch niemandem gegeben hatte, anrief und zur Kommandantur vorlud. Beim Verhör waren drei zivile Personen anwesend, die sich nicht auswiesen. Sie legten ihm acht Seiten Ausdrucke von Beiträgen in den sozialen Medien vor, die sich allesamt um den türkischen Angriffskrieg auf Rojava drehten. Als er fragte, warum er zur Militärpolizei und nicht zur normalen Polizei gerufen wurde, hieß es einfach nur, man arbeite zusammen. Yönay berichtete weiter: „Die Ausdrucke, die sie mir vorlegten, waren nicht alle von mir. Einer von den Vernehmungsbeamten sprach mit mir über meine seit eineinhalb Jahren in Kandıra inhaftierte Ehefrau. Er sagte: ‚Deine Ehefrau ist doch auch drinnen?‘ Als ich ja sagte, antwortete er: ‚Wenn deine Frau drinnen ist, warum teilst du dann solche Sachen? Teile so was nicht, sonst ergeht es dir nicht gut.“ Yönay wurde kein Protokoll ausgehändigt und er wurde in einem alten Fahrzeug vom Typ „Kartal“ weggebracht und dann freigelassen.

Die Behörden haben hier eine besondere Drohkulisse aufgebaut. Die Vorladung zur nicht zuständigen Militärpolizei stellt ein deutliches Signal dar. Der inoffizielle Geheimdienst der Militärpolizei JITEM ist verantwortlich für viele tausend insbesondere in den 1990er Jahren „verschwundene“ Oppositionelle. Die Betroffenen wurden häufig zu Tode gefoltert, in Säure aufgelöst oder in Brunnen und Sandgruben geworfen. Die Täter sind bis heute straflos.

Yönay betont, er sei direkt bedroht worden: „Wer hat mich verhört, warum wurde ich zur Militärpolizei und nicht zur Polizei gerufen? Ich habe keine Antwort darauf erhalten.“ Er protestierte gegen diesen Eingriff in die Meinungsfreiheit: „Stellen Sie sich vor, sie legten mir das Bild einer weinenden Mutter aus Rojava als Straftat vor. Und wenn sie mich vorladen, warum bringen sie dann meine Ehefrau mit ins Spiel? Es hat ihnen nicht gereicht, sie zu inhaftieren. Sie wollen mich auch einsperren. Aktuell ist wirklich niemand mehr sicher.“