IPPNW: Nazdar Ecevit darf nicht abgeschoben werden

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert, die geplante Abschiebung von Nazdar Ecevit in die Türkei zu stoppen. Das Amtsgericht Frankfurt hat im Fall der verfolgten HDP-Aktivistin einen Abschiebehaftbeschluss erlassen.

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert, die geplante Abschiebung der HDP-Aktivistin Nazdar Ecevit in die Türkei zu stoppen. Das Amtsgericht Frankfurt hat am Montag einen Abschiebehaftbeschluss gegen die 37-jährige Kurdin erlassen, die die türkische Militärbelagerung in Cizîr (tr. Cizre) überlebte. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, obwohl sie bereits mehrere Jahre in türkischer Haft war und auch zukünftig massiver politischer Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt sein wird. Ecevit drohen in der Türkei viele Jahre Gefängnis. Sie sitzt weiterhin in Darmstadt in Abschiebehaft, nachdem sie vergangene Woche aus ihrer Unterkunft im Landkreis Waldeck-Frankenberg abgeholt wurde.

IPPNW-Mitglieder waren auch in Cizîr

Im Winter 2015/2016 hat sich Nazdar Ecevit während der Massaker in der kurdischen Stadt Cizîr an zivilen Rettungsaktionen beteiligt. Dabei geriet sie unter Beschuss und wurde verletzt. Auch Mitglieder der deutschen Sektion der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) waren im März 2016 in Cizîr und haben „die Bilder der zerstörten Häuser gesehen und die Berichte über Gewalttaten des türkischen Staats gegen die Bewohner*innen aus erster Hand gehört”, erklärt die Organisation in einer Stellungnahme.

Mindestens 288 Tote

Die „Todeskeller von Cizîr“ – dieser Ausdruck steht für eine Reihe von Massakern, die das türkische Militär am 7. Februar 2016 in Cizîr verübte – in Wohngebäuden, in denen etliche Menschen während der Militärbelagerung Schutz vor den Kriegsverbrechen des türkischen Staates suchten. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wurden in den „Todeskellern von Cizîr“ mindestens 177 Personen bei lebendigem Leib von Sicherheitskräften verbrannt oder erschossen, die meisten von ihnen waren Studierende. Insgesamt starben im Verlauf der Belagerung von Cizîr mindestens 288 Menschen. Während in einigen Kellern die darin schutzsuchenden Personen verbrannt wurden, als das Militär Benzin in die mit Menschen gefüllten Keller leitete, erstürmten türkische Truppen andere Keller und erschossen die Anwesenden, bevor sie sie verbrannten. Die Leichen von 14 in den Todeskellern von Cizîr getöteten Menschen sind bis heute verschwunden.

Arzt wegen Hilfe verurteilt

Während der Belagerung war es verboten, Verletzte zu versorgen oder Tote aus den Straßen zu bergen. Menschen, die ihre Viertel mit weißen Fahnen verlassen wollten, wurden beschossen. „Unser Kollege Dr. Serdar Küni, Vertreter der türkischen Menschenrechtsstiftung in Sirnak (TIHV), half trotzdem. Er wurde zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt, da er Informationen über verwundete Patient*innen nicht an die offiziellen Strafverfolgungsbehörden weitergegeben hatte und somit eine terroristische Vereinigung unterstützt habe,“ berichtet die IPPNW-Ärztin Christa Blum.

Penteker: Kurden haben eine lange Unterdrückungsgeschichte

„Die Grausamkeit gegen die kurdische Bevölkerung hatte hier ähnlich wie in anderen Städten einen neuen Höhepunkt erreicht: Sie ist – wenn überhaupt – nur aus der langen Geschichte der Unterdrückung und des versuchten Widerstandes der Kurd*innen zu erklären. Fast alle, die in diesen Tagen eine Forderung nach Frieden unterzeichnet hatten, wurden ihrer Ämter enthoben und oder inhaftiert,“ erklärt IPPNW-Ärztin Dr. Gisela Penteker.

Postkartenaktion für Nazdar Ecevit

Aktivistin im Hungerstreik

Nach der gestrigen Gerichtsentscheidung erklärte Nazdar Ecevit, mit einem unbefristeten Hungerstreik gegen das Urteil des Gerichts zu protestieren. Einen ersten Abschiebeversuch hatte die Aktivistin am letzten Donnerstag erfolgreich abgewehrt, der nächste soll vermutlich in drei Wochen folgen. Die Frankfurter Ortsgruppe der Kampagne „Women Defend Rojava“ (WDR) hat derweil eine Grußkartenaktion gestartet, um Ecevit zu unterstützen. WDR ruft die Öffentlichkeit dazu auf, sich an der Aktion zu beteiligen. Die Anschrift lautet: Nazdar Ecevit, Abschiebegefängnis Darmstadt, Marienburgstraße 78, 64297 Darmstadt.