Am Montag startet in Genf die siebte Auflage des internationalistischen langen Marschs für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine Lösung der kurdischen Frage. Als Warm-Up hat in der zweitgrößten Stadt der Schweiz eine internationalistische Tagung zum Paradigma von Öcalan und seiner Isolierung auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali stattgefunden.
Mehr als 150 Personen aus Europa, Lateinamerika, Australien und Afrika, bei denen es sich gleichzeitig um Teilnehmende des Marschs handelt, kamen für die von Uxia Birueiro moderierte Tagung am Sonntag in den Räumlichkeiten des „Maison Internationale des Associations“ zusammen. Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des europaweiten Dachverbands kurdischer Vereine (KCDK-E), eröffnete die Tagung, indem er einen kurzen Umriss über die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1978 bis zur völkerrechtswidrigen Verschleppung ihres Vordenkers 1999 aus Kenia in die Türkei gab.
Öcalans Paradigma kennt keine Grenzen
Koç betonte, die von Öcalan in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben seitdem weltweit große Beachtung gefunden. „Dass dieses Paradigma keine Grenzen kennt und Öcalans Ideen weltweit von unterdrückten Völkern für ihre Befreiungskämpfe aufgegriffen werden, verdeutlicht sich auch in der Tatsache, dass so viele Menschen aus verschiedenen Kontinenten hier heute beisammen sitzen. Dieser Anblick macht Hoffnung. Vor 24 Jahren startete das kapitalistische System mit dem internationalen Komplott seinen Vernichtungsangriff auf Rêber Apo und den kurdischen Befreiungskampf. Der gemeinsame Kampf des kurdischen Volkes und seiner internationalistischen Freundinnen und Freunde hält diesem Zerschlagungsversuch bis heute stand“, so Koç.
Die PKK ist eine internationalistische Partei
Im Anschluss hielt Asmin Engin von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) einen Vortrag über die Bedingungen der Entstehung der PKK. Die Aktivistin verwies auf die Unterdrückungssituation in Kurdistan und des kurdischen Volkes und betonte im Besonderen die Lage auf türkischem Staatsgebiet. Dort sei lange eine Mentalität vorherrschend gewesen, die die Verleugnungsstrategie „Kurden gibt es nicht, die kurdische Sprache existiert nicht, ein Land namens Kurdistan gibt es nicht“ gefahren habe. „Die Durchleuchtung der Geschichte des kurdischen Volkes zeigt, dass sie geprägt ist von Genoziden. In Kurdistan gab es im Laufe der Geschichte zahlreiche Aufstände, denn das kurdische Volk hat stets Widerstand gegen die Unterdrückung geleistet und rebelliert. Diese Rebellionen wurden bis zur Entstehung der PKK jedes Mal niederschlagen.“
Weiter betonte Engin, dass die PKK eine internationalistische Partei sei. Zwar habe die Basis von Anfang an aus der kurdischen intellektuellen Jugend bestanden. Revolutionäre Menschen mit türkischem Hintergrund und anderen Teilen der Welt seien aber mit großer Selbstverständlichkeit willkommen gewesen. Das theoretische Verständnis, die ideologisch-politische Linie und Organisationsstruktur der PKK waren offen dafür, weil sich die PKK nicht auf einen kurdischen Nationalismus stützte, sondern nationale und gesellschaftliche Befreiung aller Unterdrückten zur Grundlage nahm. Die Aktivistin nannte die Namen von Haki Karer und Kemal Pir – beide türkischer Herkunft und als Internationalisten zentrale Identifikationsfiguren der kurdischen Bewegung.
Entrechtung durch „Incommunicado“-Haft
Nach dem Beitrag ging es weiter mit Beiträgen des Öcalan-Anwalts Mahmut Şakar und Mitgliedern der „Internationalen Delegation gegen Isolation“. Şakar, der stellvertretender Vorsitzender des in Köln ansässigen Vereins für Demokratie und internationales Recht (MAF-DAD e.V.) ist, informierte über die komplexen Dialektiken des „Imrali-Systems“ und die Dimensionen der Isolation auf der Insel. Şakar erklärte, Öcalan und seine Mitgefangenen seien vollkommen entrechtet worden. Er merkte an, dass allein die Existenz eines Inselgefängnisses, das in seiner jetzigen Form eigens für Öcalan konzipiert wurde und in das Anwältinnen und Anwälte jahrelang keinen Zugang haben, ein eklatantes Beispiel dafür sei, die Abwesenheit juristischer Rechte auf Imrali zu begreifen. Şakar widmete sich vor allem dem Thema „Incommunicado“-Haft. Dabei handelt es sich um einen spanischen juristischen Terminus, der aus der Folter und Isolation von „Terrorverdächtigen“ durch Spanien stammt und mehrfach zur Verurteilung des Landes vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geführt hat.
Bericht über Türkei-Reise der „Internationalen Delegation gegen Isolation“
Beendet wurde die Tagung mit einem Beitrag von Raphaël Roux und Caroline Isabella Aubry. Beide Jurist:innen gehören der „Internationalen Delegation gegen Isolation“ an, die unlängst eine Türkei-Reise unternahm und eine Deklaration verkündete, in der die Ablehnung des Foltersystems auf Imrali bekräftigt und seine Abschaffung gefordert wird. Insgesamt 36 Anwält:innen, Journalist:innen und Akademiker:innen aus sieben verschiedenen Ländern gehören der Delegation an. „Imrali ist ein Bereich der politischen und juristischen Verdunkelung“, erklärte die Delegation hinsichtlich der Haftbedingungen dort, die längst nicht nur Öcalan und seine drei Mitgefangenen betreffen würden. „Wir mussten feststellen, dass das Imrali-System in der Türkei zu einer Regierungsmethode geworden ist.“ Um Rechtstaatlichkeit wieder herstellen zu können, sei es unabdingbar, dass es aufgelöst wird.