Zum internationalen Tag der politischen Gefangenen am 18. März erklärt der Rechtshilfefond Azadî, dass derzeit zehn kurdische Aktivisten in deutschen Gefängnissen auf Grundlage des §129b StGB inhaftiert sind. Azadî fordert die Aufhebung des seit 27 Jahren bestehenden PKK-Verbots in Deutschland ebenso wie die Abschaffung des Paragraphen 129b. Weiter heißt es in der Erklärung:
Anlässlich des 18. März als internationaler Tag der politischen Gefangenen möchten wir die Gelegenheit nutzen darauf hinzuweisen, dass kurdische politisch aktive Menschen nicht nur in der Türkei die Haftanstalten füllen. Auch in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden werden inhaftiert, angeklagt und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, seit 2011 auf der Grundlage des §129b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung). Aufgrund dieses Paragraphen befinden sich derzeit zehn kurdische Aktivisten in deutschen Gefängnissen in Untersuchungs- oder Strafhaft.
Dem größten Teil der Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern legale politische Betätigung wie etwa die Organisierung von Veranstaltungen und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Tätigkeiten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelange Observationsmaßnahmen und intensive Telekommunikationsüberwachung (TKÜ).
Betroffen von den Auswirkungen des §129b sind nicht nur Kurdinnen und Kurden, denen ein Engagement für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen wird. Betroffen sind auch Strukturen der türkisch-kurdischen Linken, die weder in Deutschland noch in der EU einem Verbot unterliegen. Seit 2016 sind in einem Prozess in München zehn Personen angeklagt, die lediglich in der Türkei verbotene TKP/ML unterstützt zu haben.
Um der Öffentlichkeit die Gefährlichkeit dieser Angeklagten zu suggerieren, finden die Prozesse unter Hochsicherheitsbedingungen statt. Zum Teil werden die Angeklagten hinter Glasscheiben von ihren Anwältinnen und Anwälten getrennt, Besucher*innen der Prozesse müssen sich akribischen Durchsuchungen unterziehen und Kontakte zu den Verteidiger*innen werden gemäß den Sonderbedingungen des §129b erschwert.
Tragisch ist, dass die meisten Gefangenen bereits in der Türkei einen großen Teil ihres Lebens im Gefängnis verbringen mussten und dort schwerstens gefoltert wurden. Viele mussten deshalb nach Deutschland fliehen und erhielten eine Asylanerkennung. Doch ihre Hoffnung, hier legal gegen das türkische Unterdrückungssystem arbeiten zu können, erwies sich als Trugschluss. Unter ähnlichen Vorwürfen wie in der Türkei finden sie sich ‒ oft traumatisiert durch ihre Gefängnisaufenthalte in der Türkei ‒ in Deutschland wieder hinter Gittern.
Seit über dreißig Jahren ist die Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung und linker türkischer Strukturen in Deutschland fester Bestandteil der deutsch-türkischen Beziehungen. Politischen Entwicklungen innerhalb der kurdischen Bewegung, der Türkei und im Mittleren Osten werden ignoriert: Sei es etwa die Rettung der Yeziden vor dem sog. Islamischen Staat (IS) 2014 durch Einheiten der PKK und syrisch-kurdischer Verbände (YPG/YPJ) im Nordirak oder die Befreiung großer Teile Nordsyriens vom IS durch diese Kräfte.
Wenn hin und wieder seitens der Bundesregierung Kritik an Präsident Recep T. Erdoğan geäußert wird, bleibt Deutschland auf internationaler Ebene dennoch der engste Verbündete der Türkei. Auch der sogenannte Flüchtlingsdeal zwischen EU und Türkei, den Erdoğan vom ersten Tag an als Druckmittel gegen Kritik an seiner Außen- und Innenpolitik benutzte, wurde im Wesentlichen von der deutschen Bundesregierung ausgehandelt.
Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung diese Politik korrigiert und mit den in Deutschland aktiven politischen kurdischen Strukturen in Dialog tritt, anstatt sie zu kriminalisieren. Voraussetzung dazu wäre, dass das Bundesjustizministerium die Verfolgungsermächtigung zurückzieht, welche die notwendige Grundlage darstellt für die Ermittlung der Bundesanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaften in den Ländern gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden und die türkische Linke in Deutschland. Beispielhaft könnte das in Belgien im Januar dieses Jahres rechtskräftig gewordene Urteil des Kassationshofs sein, dass die PKK keine terroristische Vereinigung darstellt, sondern eine bewaffnete Konfliktpartei im Sinne des Völkerrechts.
Die aktuellen Probleme des Mittleren Ostens lassen sich nicht durch die Inhaftierung einiger weniger Personen lösen, die schon in der Türkei einen hohen Preis für ihre politischen Überzeugungen gezahlt haben. Daher ist es an der Zeit, das seit 27 Jahren bestehende PKK-Verbot in Deutschland ebenso wie den §129b abzuschaffen, um damit der Kriminalisierung die Grundlage zu entziehen.