Der Österreicher Max Zirngast ist im September 2018 in der Türkei verhaftet und ein Jahr später freigesprochen worden. Seit dem Freispruch war er an vielen Orten in Österreich, der Schweiz und Deutschlands unterwegs und hat von seinen Erfahrungen und seinen Einschätzungen bezüglich der politischen Entwicklungen in der Türkei berichtet.
Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass auch von der Staatsanwaltschaft Graz – auf Grundlage eines Berichts des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen Max Zirngast geführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Graz hatte eigeninitiativ ein Verfahren eingeleitet und über Monate hinweg gegen ihn ermittelt. Erst mit einem Brief an Zirngast Anfang November erfährt dieser davon, da zu diesem Zeitpunkt die Einstellung des Verfahrens erfolgte. Max Zirngast suchte sich anwaltliche Unterstützung und entschloss sich, mit der Geschichte in die Öffentlichkeit zu gehen.
„Der Blick in die Verfahrensakten zeigt, dass BVT und anschließend die Staatsanwaltschaft auf fahrlässige Weise Informationen zusammenrührten und diese auch mehrmals in Gesuchen an die türkischen Behörden dorthin weiterleiteten“, schreibt die Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast und kritisiert in einer ausführlichen Stellungnahme: „Das BVT spekuliert wild in die Luft, die TKP/K – eine Organisation, deren Existenz nicht nachzuweisen ist und als deren Mitglied und führender Vertreter Max Zirngast dennoch angeklagt wurde – könnte eine Abspaltung der TKP/ML sein. Aber auch die sei nicht als ‚Terrororganisation‘ anerkannt in Österreich. Gleichzeitig wird dieser aber noch ein bewaffneter Arm dazugestellt, in dessen Nähe Max Zirngast damit implizit gerückt wird.
Solche wilden Spekulationen sind fatal, insbesondere, wenn diese Phantasiekonstrukte an türkische Behörden weitergeleitet werden. Es dürfte schließlich hinlänglich bekannt sein, dass nicht nur türkische Oppositionelle, Journalist*innen, Rechtsanwält*innen und Richter*innen aus politischen Gründen mit Bezugnahme auf „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ diffamiert, suspendiert und inhaftiert werden, sondern zunehmend auch EU-Staatsbürger*innen – Peter Steudtner, Meşale Tolu oder Mülkiye Laçin – in der Türkei unter fadenscheinigsten Argumenten festgehalten und strafrechtlich verfolgt werden.“
Rechtshilfe-Ersuchen an türkische Behörden
Max Zirngasts Anwalt Clemens Lahner hat deshalb Einspruch gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Graz erhoben und erklärt zu dem Vorgang: „Dass offensichtlich politisch motivierte Vorwürfe einer türkischen Staatsanwaltschaft ausreichen, um in Österreich ein Ermittlungsverfahren wegen Terrorismus einzuleiten, ist an sich schon mehr als fragwürdig. Immerhin ist auch hierzulande bekannt, dass die türkische Justiz ihre Unabhängigkeit vollends eingebüßt hat und zur Verfolgung politischer Gegner*innen missbraucht wird. Dass die Staatsanwaltschaft Graz aber auch noch ein Rechtshilfe-Ersuchen an die türkischen Behörden schickt und darin behauptet, dass auch die Ermittlungen der österreichischen Kriminalpolizei einen Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation ergeben hätten, ist ein Skandal. Die in Österreich angestellten ‚Ermittlungen‘ der Kriminalpolizei haben in Wahrheit selbstverständlich nicht den geringsten Verdacht gegen meinen Mandanten ergeben. Die dilettantische Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Graz hätte dazu führen können, dass die skandalöse Untersuchungshaft in Ankara und das dort geführte Verfahren gegen Max Zirngast verlängert wird. Im schlimmsten Fall hätte es unter Berufung auf die österreichischen ‚Ermittlungsergebnisse‘ sogar zu einer Verurteilung wegen Terrorismus kommen können, dazu braucht es in der Türkei heutzutage bekanntlich nicht viel.“
Erfüllungsgehilfen des türkischen Staates
Max Zirngast selbst ist es wichtig, „nicht nur dieses skandalöse Ermittlungsverfahren gegen mich öffentlich zu machen. Es geht mir auch darum, die Aufmerksamkeit zu lenken auf die Arbeit der Behörden in Österreich. Immer wieder kooperieren europäische Staaten mit der Türkei hinsichtlich politischer Oppositioneller. Auch dort, wo nicht direkt Daten weitergegeben werden, machen sie sich mit Geheimdienstberichten und Ermittlungsverfahren dieser Art de facto zu Erfüllungsgehilfen des türkischen Staates.“