Homophobe Todesdrohungen und Nacktdurchsuchungen gegen Studierende

Studierende der Boğaziçi-Universität in Istanbul berichten von Nacktdurchsuchungen und Todesdrohungen nach der Festnahme. Laut Rechtsanwältin Eren Keskin sind Mandantengespräche mit den Festgenommenen verboten.

Das AKP-Regime versucht, die Proteste gegen die Ernennung eines AKP-Funktionärs zum Direktor der Boğaziçi-Universität zu ersticken und an den Studierenden Exempel zu statuieren. In den vergangenen beiden Tagen wurden Dutzende Studierende von schwerbewaffneten Spezialeinheiten in Istanbul festgenommen. Im Gewahrsam werden die Studierenden demütigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen und Anwaltsbesuche verhindert.

Nacktdurchsuchungen und Vergewaltigungsdrohungen gegen LGBTI+

Studierende veranstalteten gemeinsam mit Anwält*innen im Istanbuler Büro des Menschenrechtsvereins IHD eine Pressekonferenz zu den Polizeiübergriffen. Die Studierende Mısra Sıpan berichtete von Vergewaltigungsdrohungen und Nacktdurchsuchungen. Sie erklärte: „Unsere Freundinnen und Freunde, die Widerstand gegen die Nacktdurchsuchungen leisteten, wurden von der Polizei zu Boden geworfen und mit Gewalt ausgezogen. Insbesondere LGBTI+Personen wurden mit Vergewaltigung und dem Tod bedroht. Sie wurden zum Opfer sexistischer Hassgewalt. Die Menschen, die für eine Demokratisierung des Lebens auf dem Campus kämpfen, wurden zum Ziel von homophober und transphober Hassrede. Wir stehen an ihrer Seite, sie sind nicht allein!“

Nacktdurchsuchungen sind Folter“

Zu den Nacktdurchsuchungen erklärte die Studierende: „Nacktdurchsuchungen und das erzwungene Ausziehen verletzen nicht nur die Privatsphäre und die moralischen Werte, sondern stellen einen Angriff auf die soziale Identität und die geistige Integrität einer Person dar und erfüllen die Charakteristika von Folter und Misshandlung bis hin zu sexualisierter Gewalt.“

Gergerlioğlu: „Leben in absolutem Polizeistaat“

Auch die HDP kritisierte die Übergriffe scharf. Auf einer Pressekonferenz im Parlament zu den Festnahmen und Protesten erklärte der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu: „Die Studierenden haben gegen die Ernennung eines Uni-Rektors protestiert. Heute Morgen fanden erneut Festnahmen statt. Was soll das? Diese Aufnahmen zeigen, dass wir in einem absoluten Polizeistaat leben. Das eigentliche Verbrechen begeht doch der Gouverneur von Istanbul, der die Wahrnehmung eines verfassungsmäßig garantierten Rechts verhindert. Die bereits gestern festgenommenen Studierenden wurden Nacktdurchsuchungen unterzogen. So etwas darf nicht passieren.“

Keskin: Anwaltsbesuche werden verhindert

Die Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD, Eren Keskin, berichtet, dass ein Besuchsverbot für die in Istanbul festgenommenen Studierenden verhängt worden ist. Sie erklärte, dass den wartenden Anwält*innen erklärt worden sei, sie dürften ihre Mandant*innen nicht sehen. Eren Keskin, die selbst Anwältin ist, berichtet, ein Polizist hatte erklärt, Mandantengespräche seien auf „Anweisung von oben“ vorboten. Sie fuhr fort: „Mein Besuch wurde verhindert. Selbst in den 90er Jahren konnte ich meine Mandanten besuchen. Die Hauptschlagader des Ungehorsams schlägt heute in Boğaziçi. Deswegen sind wir heute alle aus Boğaziçi.“

Was will man von einem solchen Rektor erwarten

Zur Einsetzung der AKP-Rektors erklärte Keskin, der Staat wolle die Universitäten in die Hand bekommen, um seine Verbrechen im ganzen Land zu verschleiern. Die Boğaziçi-Universität sei noch frei, das habe das System gestört. Sie fuhr fort: „Es gab Proteste gegen einen Rektor mit einer klaren politischen Ausrichtung. Vom ersten Tag an beschuldigte er die Studierenden als Mitglieder oder Anhänger von ‚Terrororganisationen‘. Was will man von einem Rektor erwarten, der sich vor Studierenden fürchtet.“