HDP-Politiker Çınar Altan aus Untersuchungshaft entlassen

Nach über einem Jahr in U-Haft ist der unter Terrorvorwürfen angeklagte Ex-Vorsitzende der HDP Izmir, Çınar Altan, freigelassen worden. Seine mitangeklagte Partnerin in der Doppelspitze des Provinzverbands der Partei bleibt vorerst im Knast.

Bei Verurteilung drohen bis zu 15 Jahre Haft

Nach mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft ist der in der Türkei unter Terrorvorwürfen angeklagte linke Politiker und Aktivist Çınar Altan freigelassen worden. Das hat ein Gericht in Izmir bei einem Haftprüfungstermin am Donnerstag überraschend entschieden, wie der Rechtsbeistand des ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP in der Ägäis-Provinz mitteilte. Der Haftbefehl gegen Altans mitangeklagte Partnerin in der genderparitätischen Doppelspitze der Partei, Berna Çelik, bleibt dagegen vorerst weiter in Kraft. Begründet wurde die fortgesetzte Geiselhaft mit der vermeintlichen Beweislage und der „erwarteten Strafe“ sowie Fluchtgefahr, die durch Meldeauflagen nicht verhindert werden könne, so das Gericht.

Çınar Altan und Berna Çelik waren im Oktober 2023 verhaftet worden, der Prozess gegen sie startete genau ein Jahr später. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe lauten auf Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Propaganda für selbige sowie Terrorismusfinanzierung – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Laut dem Verteidigungsteam der früheren HDP-Provinzspitze wertet die Generalstaatsanwaltschaft Izmir an sich normale und legale parteipolitische Aktivitäten als Indiz für eine PKK-Mitgliedschaft – etwa die Organisation von Demonstrationen und das Abhalten von Schulungen.

Der im selben Verfahren verhaftete und inzwischen auf freien Fuß gesetzte HDP-Lokalpolitiker Nihat Türk, Berna Çelik und Çınar Altan (v.l.n.r.) im Oktober 2023 kurz vor dem Abtransport vom Gericht ins Gefängnis. Die Praxis der Polizei, mit Zwang und Gewalt den Kopf von Verhafteten zu beugen, gilt als beliebtes Instrument zur Erniedrigung der demokratischen Oppotision. 


Selbst das Sammeln von Spenden für Betroffene des verheerenden Erdbebens Anfang vergangenen Jahres in mehreren kurdischen Provinzen sei von der Anklage als „Verdacht auf eine terroristische Betätigung“ ausgelegt worden. In regierungstreuen Medien und bei lokalen Organisationen der herrschenden AKP hatte es massive Hetzkampagnen gegen Çınar Altan und Berna Çelik gegeben. Beide waren schonungslos als „Terroristen” diffamiert und „Feinde der Türkei“ denunziert worden.

Sollte es zu einer Verurteilung von Çınar Altan und Berna Çelik kommen, drohen den beiden Politiker:innen langjährige Freiheitsstrafen. Die Generalstaatsanwaltschaft Izmir von fordert Haftstrafen zwischen siebeneinhalb und 15 Jahren. Der Prozess soll am 13. Januar 2025 fortgesetzt werden, verhandelt wird an einer Kammer für schwere Straftaten. Eine Strafanzeige Çeliks wegen Körperverletzung während der Polizeihaft und im Zuge einer entwürdigenden Nacktdurchsuchung im Gefängnis lehnte die Staatsanwaltschaft indes als „unbegründet“ ab.