HDP fordert Untersuchungsausschuss zum Fall Nihat Kazanhan

Am 14. Januar 2015 wurde der zwölfjährige Nihat Kazanhan in Cizîr von einem Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos durch einen Kopfschuss getötet. Die HDP sieht den Mord nicht als aufgeklärt an und fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Die HDP-Fraktion in der türkischen Nationalversammlung fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Nihat Kazanhan. Der Zwölfjährige wurde am 14. Januar 2015 in unmittelbarer Nähe seines elterlichen Hauses in der nordkurdischen Stadt Cizîr von einem Beamten eines Spezialeinsatzkommandos der türkischen Polizei durch einen Kopfschuss getötet. Zwar wurde der Polizist Mehmet Nurbaki Göçmez wegen der Tötung des Jungen verurteilt – die HDP sieht den Mord jedoch nicht als aufgeklärt an. Die juristische Aufarbeitung des Falles sei nur unzureichend geleistet worden, heißt es in dem Antrag der Abgeordneten Nuran Imir, Hasan Özgüneş und Hüseyin Kaçmaz aus dem Wahlkreis Şirnex.

Nihat Kazanhan ist eines von mindestens 288 Todesopfern der Ausgangssperren und Militärbelagerung in Cizîr im Winter 2015/2016. Zunächst leugneten Behörden und Regierung die Beteiligung der Polizei an seinem Tod. Doch dann tauchte ein Video auf, das eine Gruppe Minderjähriger beim Steinewerfen gegen den Tränengasbeschuss der Polizei zeigt. Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie ein Polizist mit einem Gewehr in Richtung der Kinder schießt. Die Szenen zeigen den Moment, in dem Nihat Kazanhan tödlich in den Hinterkopf getroffen zu Boden sackt.

Schütze zu 13 Jahren Haft verurteilt

Das Verfahren um den Tod des Jungen wurde im November 2016 abgeschlossen. Der Schütze Mehmet Nurbaki Göçmez wurde mit der Begründung, „er habe die Tat unter unrechtmäßiger Provokation möglicherweise mit Vorsatz begangen“; zu dreizehn Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Im Rahmen der Zweidrittel-Regelung könnte er in wenigen Jahren freikommen. Drei weitere Polizeibeamte erhielten je fünf Monate Freiheitsstrafe, „weil sie die Straftat nicht gemeldet haben“. Berufungen und Revisionen wurden vor höheren Instanzen als unbegründet verworfen. Seit 2019 liegt die Akte zur Überprüfung beim Verfassungsgericht.

HDP: Wichtige Beweise nicht gewürdigt

Die HDP argumentiert in ihrem Antrag für die Einrichtung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, dass wichtige Beweise wie etwa die Videoaufnahmen des Panzerfahrzeugs, Aufzeichnungen der Funkgespräche und Protokolle über Telefonate unter den Verurteilten und ihren Vorgesetzten in den Prozess nicht mit einbezogen worden seien. „Die Bildung der geforderten Kommission kann unbeantwortete Fragen zu dem Mord an Nihat Kazanhan klären und damit den Weg zu einem Wiederaufnahmeverfahren ebnen. Das ist unsere Forderung“, so die HDP.