HDP: Bevor es zu spät ist
Die HDP-Abgeordneten Feleknas Uca und Hişyar Özsoy appellieren an internationale Institutionen, sich für das Leben von Aysel Tuğluk und allen kranken Gefangenen in der Türkei einzusetzen, bevor es zu spät ist.
Die HDP-Abgeordneten Feleknas Uca und Hişyar Özsoy appellieren an internationale Institutionen, sich für das Leben von Aysel Tuğluk und allen kranken Gefangenen in der Türkei einzusetzen, bevor es zu spät ist.
Feleknas Uca und Hişyar Özsoy appellieren als außenpolitische Sprecher:innen der HDP-Fraktion im türkischen Parlament erneut an internationale Institutionen, sich unverzüglich für Aysel Tuğluk und alle kranken Gefangenen in der Türkei einzusetzen, bevor es zu spät ist. Die beiden Abgeordneten weisen in ihrem am Dienstag veröffentlichtem Appell darauf hin, dass die Demokratische Partei der Völker (HDP) bereits im Dezember mehrfach Informationen über den sich verschlechternden Gesundheitszustand der inhaftierten HDP-Politikerin Aysel Tuğluk öffentlich gemacht und ihre Freilassung gefordert hat.
Zum Hintergrund teilen Feleknas Uca und Hişyar Özsoy mit: „Tuğluk wurde im Dezember 2016 unter fingierten Terrorismusvorwürfen verhaftet. Sie leidet an Demenz, die sich im Laufe ihrer Inhaftierung verschlimmert hat.
2017 verlor Tuğluk ihre Mutter, Hatun Tuğluk. Die Beerdigungszeremonie in Ankara wurde von einem rassistischen Mob angegriffen, und die Leiche ihrer Mutter musste zur Beerdigung in ihre Heimatstadt Dersim gebracht werden. Kurze Zeit nach dem Verlust ihrer Mutter und dem Trauma dieses Angriffs setzten bei Tuğluk gesundheitliche Probleme ein. Sie sagte ihrer Familie und ihren Anwältinnen und Anwälten häufig, dass sie nicht wolle, dass darüber gesprochen werde. Ihr Zustand verschlechterte sich jedoch weiter. Tuğluk litt unter zunehmendem Gedächtnisverlust und war nicht mehr in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern.
Am 15. März diagnostizierte das Universitätskrankenhaus Kocaeli bei ihr Demenz. In ihrem Abschlussbericht vom 12. Juli stellte die forensische Abteilung der Universität fest, dass die Demenz fortschreiten könnte, dass es Probleme bei der medizinischen Betreuung und Pflege geben könnte und dass es für Tuğluk nicht möglich sei, ihr Leben ohne Hilfe fortzusetzen. Tuğluk wurde daraufhin an das Institut für Rechtsmedizin (ATK) überwiesen, eine Einrichtung des Justizministeriums. Nach einer nur zweistündigen Untersuchung kam das Institut zu dem Schluss, dass Tuğluk „ihr Leben weiterführen kann und die Vollstreckung ihrer Strafe im Gefängnis fortgesetzt werden kann, wenn ihre Behandlung und die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden". Auf der Grundlage dieses Berichts lehnte die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung von Tuğluks Strafe ab.
Am 21. Dezember beantragten die Anwältinnen und Anwälte von Tuğluk ein drittes Gutachten, und ihrem Antrag wurde stattgegeben. Im Staatlichen Krankenhaus von Kocaeli-İzmit wurde ein Ausschuss eingerichtet. Ihr Zustand wird erneut untersucht und es wird ein neuer Bericht erstellt.
Am 24. Dezember besuchte die Ko-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, Aysel Tuğluk im F-Typ-Gefängnis Kandıra. Buldan stellte fest, dass Tuğluk nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Sie hat Schwierigkeiten, zu sprechen und Menschen zu erkennen, und ist in ihren Bewegungen eingeschränkt.“
„Zentren der Misshandlung und Folter“
Uca und Özsoy bezeichnen die türkischen Gefängnisse als „Zentren der Misshandlung und Folter“ und erklären: „Die internationale Gemeinschaft ist sich der unmenschlichen Haftbedingungen und der extremen Isolation im Gefängnis auf der Insel Imrali wohl bewusst, diese wurden auch vom europäischen Antifolterkomitee CPT in seinen verschiedenen Berichten über die Türkei hervorgehoben. Viele Gefangene in der gesamten Türkei leben unter ähnlichen Bedingungen wie extremer Isolation, Folter und Misshandlung, die sich während der Pandemie noch weiter verschärft haben. Diese Bedingungen haben zu Selbstmorden in den Gefängnissen und zum Tod kranker Häftlinge geführt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es in der Türkei derzeit über 1.600 kranke Gefangene. Die schlechte Behandlung ist so allgegenwärtig, dass kranke Gefangene entweder die Gefängnisse in Särgen verlassen oder nur wenige Tage nach ihrer Entlassung ihr Leben verlieren. Hunderte andere kranke Gefangene, wie Aysel Tuğluk, werden nicht freigelassen und müssen auf der Grundlage der politisch motivierten Berichte der gerichtsmedizinischen Anstalt im Gefängnis sterben.“
Reihe von Todesfällen in Gefängnissen
Die HDP-Politiker:innen weisen darauf hin, dass es in den letzten Wochen eine Reihe von Todesfällen in Gefängnissen gegeben hat:
„Vedat Erkmen, der eine lebenslange Haftstrafe im Tekirdağ-Gefängnis verbüßte, wurde am 19. Dezember tot in seiner Zelle aufgefunden. Seiner Familie wurde mitgeteilt, dass es sich um Selbstmord handelte.
Ilyas Demir, der eine lebenslange Haftstrafe im Bolu-Gefängnis verbüßte, wurde am 17. Dezember tot in seiner Zelle aufgefunden. Demir hatte unter psychischen Problemen gelitten.
Halil Gunes, ein Krebspatient, der eine lebenslange Haftstrafe im Diyarbakır-Gefängnis verbüßte, wurde am 15. Dezember tot in seiner Zelle aufgefunden. Seine Appelle, aufgrund seines Zustands freigelassen zu werden, waren abgelehnt worden.
Abdulrezzak Suyur, ein weiterer Krebspatient, verlor am selben Tag in der Provinz Izmir sein Leben.
Am 9. Dezember wurde Garibe Gezer, eine achtundzwanzigjährige kurdische Politikerin, im Kandıra-Gefängnis tot in ihrer Zelle aufgefunden, während sie in Einzelhaft saß. Die Gefängnisverwaltung erklärte, sie habe Selbstmord begangen. Gezer hatte zuvor berichtet, sie sei vom Gefängnispersonal sexuell missbraucht und gefoltert worden. Zweiundzwanzig weibliche HDP-Abgeordnete brachten diese Berichte über Folter und sexuellen Missbrauch dem Parlament und dem Justizminister zur Kenntnis, jedoch ohne Erfolg.“
Appell an die internationale Gemeinschaft
„Wir rufen die internationale Gemeinschaft, allen voran das CPT und andere einschlägige Organe des Europarats, die Menschenrechtskommissare des Europarats und der Vereinten Nationen, Menschen- und Frauenrechtsorganisationen sowie alle Freundinnen und Freunde auf, sich unverzüglich für Aysel Tuğluk und alle kranken Gefangenen einzusetzen und gegen diese unmenschlichen Zustände in türkischen Gefängnissen vorzugehen, bevor es zu spät ist. Für zu viele ist es bereits zu spät gewesen“, so die außenpolitischen HDP-Sprecher:innen Feleknas Uca und Hişyar Özsoy.