Haydar Işık in Maisach beigesetzt

Der vor einer Woche gestorbene Schriftsteller Haydar Işık ist im engsten Freundes- und Familienkreis beigesetzt worden.

Der vor einer Woche nach schwerer Krankheit gestorbene Schriftsteller Haydar Işık ist in Maisach bei München beigesetzt worden. An der emotionalen Verabschiedung des kurdischen Intellektuellen, der am vergangenen Freitag an den Folgen eines langen Krebsleidens verstorben ist, beteiligte sich der engste Freundes- und Familienkreis.

Einige der Trauergäste, unter denen sich auch Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befanden, der Işık als pensionierter Lehrer angehörte, hielten bewegende Reden. Der kurdische Politiker Yüksel Koç, Ko-Vorsitzender des europaweiten Dachverbands KCDK-E, würdigte den 84-Jährigen als Kämpfer des kurdischen Volkes. Bevor der Sarg von Haydar Işık ins Grab hineingelassen wurde, sprach ein alevitischer Geistlicher als Segensgebet einen Rosenruf (ku. Gulbang).

Über Haydar Işık

Haydar Işık wurde 1937 in einem Dorf in Dersim geboren. Seine Kindheit war geprägt von den Erzählungen über den Genozid an der alevitischen Bevölkerung der kurdischen Provinz, der in jenem Jahr seinen Anfang nahm. Işık war selbst ein Überlebender der Massaker, denen über 70.000 Menschen zum Opfer fielen. Seine Mutter rettete ihren einzigen Sohn in die Wälder, wo sie ihn permanent säugte, damit die Soldaten nicht durch das Schreien des Babys alarmiert wurden.

Işık studierte zunächst Pädagogik und arbeitete einige Jahre als Grundschullehrer in Dörfern in Dersim und Mûş. Nach Beendigung eines Pharmazie-Studiums in Izmir wurde er 1974 von der türkischen Regierung als Türkischlehrer für migrantische Arbeiterkinder nach Deutschland entsandt. Er ließ sich in München nieder, wo er an einer Realschule unterrichtete. 1980, kurz nachdem sich das türkische Militär am 12. September an die Macht geputscht hatte, forderte der Staat ihn auf, in die Türkei zurückzukehren. Weil Haydar Işık dieser Forderung nicht nachkam, wurde er ausgebürgert. Zudem wurde sein gesamter Besitz beschlagnahmt.

Seit 1984 war Haydar Işık deutscher Staatsbürger. Nach Aufgabe seiner Arbeit als Lehrer war er als Schriftsteller, Sachbuchautor und Kolumnist tätig. Er zählt zu den Mitbegründern des kurdischen P.E.N.-Zentrums in Deutschland und verfasste selbst zahlreiche Bücher, darunter „Der Agha von Dersim” und „Die Zerstörung von Dersim”. Seine Werke behandeln hauptsächlich die staatliche Unterdrückung in seiner Heimat und dem Genozid. Auf authentischem Hintergrund und in einfacher poetischer Sprache erzählte Haydar Işık von seinem Volk, dem Widerstand, den Ängsten und Hoffnungen, der Not und der bis heute andauernden Entrechtung und Erniedrigung. Auch schrieb er einen historischen Roman über „Sultan Saladin“, der aus einer kurdischen Familie stammte, Gründer der Ayyubiden-Dynastie und Gegenspieler von Richard Löwenherz im 12. Jahrhundert war.

Im Juli 2007 wurde Haydar Işık unter spektakulären Umständen in München festgenommen und musste fast zwei Wochen in Untersuchungshaft verbringen. Computer, Unterlagen und persönliche Aufzeichnungen, die er als bekannter Schriftsteller zur Arbeit benötigte, waren monatelang beschlagnahmt. Regelmäßig musste sich der damals fast 70-Jährige bei der Polizei melden. Zudem wurde ihm der Kontakt zu über 100 Personen untersagt. Der Vorwurf: angebliche Unterstützung der PKK. Seine Verteidigung hatte damals vorgetragen, dass die Anschuldigungen gegen Haydar Işık sich auf „Spekulationen ohne reale Grundlage“ sowie Unterstellungen aufgrund schlampiger Ermittlungen stützten. Angesehene Persönlichkeiten des In- und Auslands sowie die Gewerkschaft GEW, der er als pensionierter Lehrer angehörte, setzten sich für seine Freilassung und Rehabilitierung ein. Erst nach drei Jahren fand das Ermittlungsverfahren sein unrühmliches Ende. Die zuständige Strafkammer lehnte die Zulassung der Anklageschrift ab, weil sie im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht sah. Die Ermittlungen hätten keine Hinweise darauf ergeben, dass Işık als „graue Eminenz“ für die PKK mobilisierte und Spenden eingetrieben hätte. Zwar hatte Işık tatsächlich Gelder gesammelt und auch öffentlich dafür geworben, diese kamen aber sozialen Projekten für Frauen und Jugendliche in Dersim zugute.

Der kurdische Journalist Ferda Çetin beschreibt Haydar Işık als „mutigen Visionär und entschlossenen Kämpfer gegen jene, die versuchen, die Geschichte Kurdistans vergessen zu machen”. Auf brillante Weise habe er mit seinen Schriften und Werken „der vom Kolonialismus bestrebten Auslöschung der Erinnerung entgegengesetzt und bewirkt, die Geschichte lebendig zu halten und das kollektive Gedächtnis zu organisieren“. Und weiter: „Haydar bedeutet Löwe. Diesen Namen tragen mutige und heldenhaft Menschen, die vor nichts zurückschrecken. Nicht umsonst war es auch der Name von Haydar Işık.“