Grußbotschaft internationalistischer Freund:innen von Andrea Wolf

Freund:innen von Andrea Wolf (Ronahî) aus München erklären in einer Grußbotschaft die Errichtung einer Erinnerungstafel im Gedenkhain im Schweizer Jura.

Im Saalbau in Frankfurt am Main kamen am vergangenen Sonntag viele Menschen zusammen, um der Internationalistin Ronahî (Andrea Wolf) und aller im kurdischen Freiheitskampf gefallenen Menschen zu gedenken. Am 23. Oktober 1998 war Ronahî bei einem Massaker der türkischen Armee in der Nähe des Dorfes Keleş in Şax (tr. Çatak) in der Provinz Wan gefangenen genommen, verhört, misshandelt und anschließend hingerichtet worden. Mit ihr zusammen starben mindestens 24 weitere Kämpferinnen und Kämpfer an diesem Tag.

Freund:innen von Ronahî aus München berichteten in ihrer Grußbotschaft, dass sie am 22. Oktober gemeinsam in den Bergen des Schweizer Jura im dortigen Gedenkhain für die Internationalist:innen, die in Kurdistan ihr Leben verloren haben, an Andrea erinnert und eine Erinnerungstafel aufgestellt haben.

In dem Grußwort heißt es:

Liebe Freund:innen und Genoss:innen, vor 25 Jahren haben wir als Freund:innen von Andrea Wolf, die in Kurdistan als Ronahî bekannt ist, gesagt: Die Täter und Kriegsverbrecher der Massaker in Kurdistan müssen zur Verantwortung gezogen werden, egal wie lange es dauert!
Die Erfahrungen der internationalen Kämpfe gegen Menschenrechts- und Kriegsverletzungen zeigen, ob in Chile, Argentinien, Südafrika oder der Türkei: Dafür brauchen wir einen langen Atem und es kann Jahrzehnte dauern, bis die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können.

Nach zwölf Jahren erzielte die Internationale Untersuchungskommission Andrea Wolf 2010 einen ersten juristischen und politischen Erfolg: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Türkei und bestätigte unsere Recherchen zu den Kriegsverbrechen. Unsere Interventionen in den Jahren 2011 bis 2014 bei der türkischen und der deutschen Justiz, ernsthafte Ermittlungen gegen die Mörder und ihre Auftraggeber in Ankara einzuleiten, wurden jedoch 2015 durch Erdogans Entscheidung für den Krieg beendet. Vorerst gibt es keinen Raum für eine juristische Bestrafung der Täter.

Wir wollen deshalb allen danken, die uns auf diesem langen Weg bisher begleitet haben und weiter begleiten. Stellvertretend für die vielen wollen wir an Lilo Wolf, die Mutter von Andrea, und unsere langjährige Anwältin Angelika Lex erinnern, die beide viel zu früh gestorben sind, genauso wie an die Genoss:innen in den kurdischen Bergen, die uns stets unterstützt haben und 2013 einen großen Gedenkort geschaffen haben.

Im Kampf um eine gerechtere Welt für alle Menschen weltweit ist das Erinnern an unsere Freund:innen und Genoss:innen unendlich wichtig: Weil es dabei immer auch darum geht, warum bestimmte Menschen aufgestanden sind, um für eine gerechtere Welt zu kämpfen.

Deshalb lassen die Machthaber des türkischen Faschismus die Lebenden ermorden und sogar die Toten und ihre Gräber bombardieren. Denn sie wollen nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Ideen auslöschen.

Deshalb haben wir am 22. Oktober gemeinsam in den Bergen des Schweizer Jura im dortigen Gedenkhain für die Internationalist:innen, die in Rojava und Kurdistan gestorben sind, an Andrea erinnert und eine Tafel aufgestellt. Auf ihr ist auf Kurdisch und Deutsch neben einem Foto von Andrea/Ronahî zu lesen: „Ohne Gerechtigkeit – kein Frieden. Die Erinnerung an Euch begleitet uns auf dem gemeinsamen Weg in die Zukunft, Juli 2014“

Diese Tafel ist der Probedruck einer identischen Tafel, die wir bei unserem letzten Besuch in der nach unserer Freundin und Genossin benannten Gedenkstätte, dem Märtyrerfriedhof Andrea Wolf / Ronahî in den Bergen Kurdistan aufgestellt haben. Damals kamen dort in den von der kurdischen Guerilla befreiten Bergen bei Keleh die ersten vertriebenen Bauern und Nomaden zurück, bauten ihre vom türkischen Militär zerstörten Häuser wieder auf und wir konnten die Rückkehr der Wälder und Tiere sehen. Nur ein Jahr später hat der türkische Präsident nach dem Wahlerfolg der prokurdischen HDP erneut auf Krieg gesetzt: Am Sonntag, dem 29. November 2015, bombardierte und zerstörte das türkische Militär mit Helikoptern, Kampfflugzeugen und Granaten auch den nach unserer Freundin Andrea benannten Friedhof sowie die Gedenkstätte und das Dokumentationszentrum. Die türkisch-deutsche Waffenbrüderschaft hat dies erst ermöglicht: Am 1. November 2015 hatte Angela Merkel in Ankara den blutigen Deal der EU mit der Türkei gegen Geflüchtete besiegelt.

„Andrea hat das Leben geliebt wie sie die herrschenden Verhältnisse gehasst hat“, haben wir in unserer Trauerrede bei unserer Demo in Erinnerung an die Räterevolution 1918 am 7. November 1998 auf der Münchner Theresienwiese gesagt. 1918 wurde die Parole „Alles Allen“ gerufen, alles soll allen gehören. Diese Forderung taucht seit Jahren in immer mehr Kämpfen für soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität und gegen die rassistische Festung Europa wieder auf!

Das hätte Andrea genauso gefreut mitzuerleben wie die Tatsache, dass heute aus der ganzen Welt Menschen aufbrechen, um in Rojava und Kurdistan eine andere Gesellschaft aufzubauen. In diesem Sinne wollen wir „Erinnern – Gedenken – Kämpfen: Gegen jede Form des Faschismus, Patriarchats, Kapitalismus und Rassismus“ – ob in Kurdistan, der Türkei, in Deutschland oder sonst wo.

Freiheit für alle politischen Gefangenen – Freiheit für Abdullah Öcalan
Für eine politische Lösung der kurdischen Frage
Hoch die internationale Solidarität
Alles Allen - Freiheit und Glück!