Die feministische Organisierung „Gemeinsam Kämpfen“ und der kurdische Frauenrat Rojbîn haben am Montagabend in Hamburg zu einem Gedenken an Andrea Wolf (Ronahî) eingeladen, um sie an ihrem 25. Todestag zu würdigen. Andrea Wolf war die erste deutsche Internationalistin, die in der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefallen ist, und gilt für viele Internationalist:innen als Wegbereiterin. Sie wurde am 23. Oktober 1998 in Şax (tr. Çatak) bei Wan von der türkischen Armee ermordert.
Neben Andrea Wolf galt die Veranstaltung auch den vielen weiteren Kämpfer:innen, die im Widerstand für die Freiheit im Monat Oktober ihr Leben ließen: etwa Gülnaz Karataş (Bêrîtan), Gurbetelli Ersöz oder Meryem Hazar Çolak.
Anja Flach über ihre gemeinsame Zeit mit Ronahî in den Bergen Kurdistans
Der erste Beitrag des Abends wurde von der Internationalistin Anja Flach in Erinnerung an ihre Freundin und Weggefährtin Andrea Wolf gehalten. Sie berichtete von ihrer gemeinsamen Zeit in Kurdistan und las persönliche Zitate von Andrea Wolf vor, die ihre konsequente und kämpferische Persönlichkeit für die Zuhörenden verdeutlichten. Anja Flach berichtete auch von der offenen und fröhlichen Art Andrea Wolfs, die ihr ermöglichte, mit den Menschen in Kurdistan schnell enge Verbindungen aufzubauen. „Andrea sah in den Methoden und Prinzipien der kurdischen Freiheitsbewegung Ansatzpunkte für den Neuaufbau einer revolutionären Bewegung in der BRD“, so Anja Flach. Die Befreiung der Frau und der Kampf gegen den Imperialismus seien für sie beide gleichermaßen wichtig gewesen.
TKJ-E-Aktivistin: Ronahî hat zu einem starken Widerstandsgeist beigetragen
Der darauffolgende Beitrag wurde von einer Aktivistin der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) gehalten. Sie begann mit einer historischen Analyse der Lage der kurdischen Frauen, einer Geschichte von Unterdrückung und Gewalt, aber ebenso sehr des Widerstands. Weiter verwies sie auf die Geschichte der kurdischen Befreiungsbewegung, in der es zu Beginn noch schwierig gewesen sei, als Frau einen Platz zu finden. Die Rednerin erwähnte, dass dies sich mit der Zeit verändert habe und die Frauen in der Bewegung zu einer starken, lebendigen Kraft geworden seien, die den Kampf für die Freiheit Kurdistans in vielerlei Hinsicht anführten. Es sei ihr Wille zur eigenen Befreiung, der Tausende kurdische Frauen und Internationalist:innen aus aller Welt im Kampf antreibe. Die Stärke der Frauen, die bereits vor 30 Jahren ihre eigene Armee aufgebaut haben, sei jedoch erst mit dem erfolgreichen Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat international mit Erstaunen wahrgenommen worden. Die Aktivistin erklärte, dass es die eigene Unterdrückungserfahrung sei, die Frauen zu starken Kämpferinnen mache. Bevor sie im bewaffneten Kampf feindlichen Staaten gegenüberstanden, hätten sie bereits den Kampf gegen das verinnerlichte Patriarchat in sich selbst und den eigenen Reihen erfolgreich bestritten.
Die aktuellen Angriffe des türkischen Staates auf die autonomen Gebiete in Nord- und Ostsyrien ordnete die TJK-E-Aktivistin als Antwort auf die Stärke des dort gelebten freiheitlichen Systems ein. Sie enttarnte die Scheinheiligkeit des türkischen AKP-Regimes, wenn es Frieden und Freiheit in Palästina fordere und gleichzeitig Rojava bombardiere, und plädierte für die Unterscheidung zwischen der palästinensischen Gesellschaft und der Hamas, welche als faschistische Kraft zu verurteilen und abzulehnen sei.
Ronahî, Meryem Hazar Çolak und Rojin Gevda (Süreyya Aslan) seien nur einige Beispiele der Frauen, die im Oktober gefallen sind. Sie alle seien vorangegangen, hätten erfolgreich zu einem starken Widerstandsgeist und dem Aufbau von eigenen, freiheitlichen Werten beigetragen.
Gedenken an Nagihan Akarsel
Im Anschluss an den Beitrag der Vertreterin der TJK-E wurde der Jineolojî-Forscherin und Aktivistin Nagihan Akarsel gedacht. Eine Aktivistin von „Gemeinsam Kämpfen“ erinnerte an die Haltung der vor rund einem Jahr im südkurdischen Silêmanî von einem Attentäter des türkischen Staates ermordeten Akademikerin, die ein tiefes Vertrauen in die Frauen und ihren Beitrag zur Revolution gehabt habe. Die Verbundenheit zu ihr und den anderen Gefallenen ließe sich nicht durch Waffengewalt zerstören, sie bestehe fort.
Grüße aus Rojava
In einem Audiobeitrag des Andrea-Wolf-Instituts für Jineoljî-Forschung sendeten Internationalist:innen Grüße aus Rojava. Sie griffen eine Geschichte der zapatistischen Bewegung auf, in der in einem Bild von Schmetterlingen die Bedeutung derjenigen Weggefährt:innen gewürdigt wurde, die auf ihrer Suche nach Freiheit ihr Leben ließen. Sie seien es, die der Bewegung die Kraft und das Vertrauen zur Fortführung des Befreiungskampfes schenkten. Das Institut erhalte nun seit vier Jahren das Andenken an Andrea Wolf, die für viele der dort forschenden Internationalist:innen eine Vorreiterin gewesen sei. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, wie die Kämpfe in Kurdistan mit Bewegungen weltweit verbunden und in Austausch gebracht werden können.
Der Abend endete mit einem bewegenden Film, der Fotos von Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfs des Monats Oktober zeigte, und gemeinsamem Singen.