GfbV sieht Hinweise für Völkermord an alawitischer Gemeinschaft

In Syrien würden alle Alawit:innen als Assad-Anhänger dargestellt, so die Gesellschaft für bedrohte Völker. Wie bei jedem Genozid sei das Muster das gleiche: „Eine Gruppe wird als Opfer klassifiziert, entmenschlicht und ihre Vernichtung wird geplant.“

Untersuchungskommission auf UN-Ebene gefordert

Das Verteidigungsministerium der sogenannten Übergangsregierung in Damaskus hat am Montag das Ende des „Militäreinsatzes“ in der Küstenregion im Westen Syriens verkündet – nach Berichten über Massaker mit hunderten Toten durch Regierungskräfte. Der Einsatz sei „erfolgreich“ verlaufen, sagte ein Ministeriumssprecher nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hingegen sieht Hinweise auf einen Völkermord an der alawitischen Minderheit in Syrien.

Der Sprecher des syrischen Verteidigungsministeriums erklärte weiter, es sei den Truppen „gelungen (...), die Angriffe der Überreste des gestürzten Regimes und seiner Offiziere abzuwehren“ und diese aus „entscheidenden“ Orten zu vertreiben. Die Kräfte hätten „alle Sicherheitszellen und Regimeüberbleibsel“ in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus „neutralisiert“. Damit seien alle Ziele des „Militäreinsatzes“ erreicht, dieser werde daher eingestellt.

Hunderte Zivilist:innen massakriert

Im an der Mittelmeerküste gelegenen Landesteil Syriens waren am Donnerstag mehrere Angehörige der aus der Dschihadistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) hervorgegangenen Regierung des selbsternannten Präsidenten Ahmed Al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Dschaulani von Ex-Militärs der gestürzten Assad-Führung getötet worden. Daraufhin töteten Regierungskräfte über 200 Assad-Loyalisten und alawitische Aufständische - Damaskus entsandte schwere Artillerie und tausende seiner Milizionäre. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) wurden aber auch mindestens 973 Zivilist:innen, insbesondere Angehörige der alawitischen Minderheit ermordet.

GfbV: Massaker zielen auf Auslöschung alawitischer Minderheit

In Syrien würden alle Alawit:innen als Anhänger des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad dargestellt, sagte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido heute in Göttingen, und dessen Verbrechen nun als Rechtfertigung für einen neuen Genozid genutzt. Wie bei jedem Völkermord sei das Muster das gleiche: „Eine Gruppe wird als Opfer klassifiziert, entmenschlicht und ihre Vernichtung wird geplant.“

Am Sonntag protestierten viele Alawit:innen und Alevit:innen vor der türkischen Botschaft in Berlin gegen den Völkermord in Syrien. Die Kundgebung wurde von den Vereinen SOG e.V., BAAB e.V. und Ugarit e.V. organisiert.

Laut Sido würden auch Verschwörungstheorien verbreitet, die zu einer Polarisierung der Gesellschaft beitragen. „Führende syrische islamistische Politiker erklärten in den sozialen Medien, Alawit:innen, Kurd:innen und Drus:innen in Syrien könnten sich mit den Jüd:innen und Israel verbünden. Deshalb seien sie eine Gefahr nicht nur für den sunnitischen Staat in Syrien, sondern auch für die Türkei, wo 40 Millionen Alawit:innen beziehungsweise Alevit:innen und Kurd:innen lebten, so die Behauptung.“

Islamismus nicht verharmlosen

Die Bundesregierung müsse alles tun, einen Völkermord zu verhindern, und sich für eine mit internationalen Fachleuten für Genozidverbrechen besetzte Untersuchungskommission auf UN-Ebene einsetzen, da einer von Scharaa angekündigten syrischen Untersuchungskommission nicht zu trauen sei. Sido forderte zudem die deutsche Politik als auch die Medien auf, den Islamismus als Gefahr für Minderheiten und Frauen nicht zu verharmlosen – weder in Syrien noch in Afghanistan oder der Türkei. „Solche Verharmlosungen wurden in der Geschichte oft bitter bezahlt“, so der Menschenrechtler.