Massaker an Alawit:innen – Islamkongress fordert internationale Intervention

An Syriens Küste sind die Massaker von HTS-Dschihadisten an der alawitischen Zivilbevölkerung ungebrochen im Gange. Fast tausend Zivilist:innen wurden seit Donnerstag getötet, der Demokratische Islamkongress fordert eine internationale Intervention.

„Die Welt darf nicht schweigen, während ein Völkermord geschieht“

In den syrischen Küstenregionen sind die seit Donnerstag wütenden Massaker an der alawitischen Zivilbevölkerung ungebrochen im Gange. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) gab die Zahl der von Regierungskräften getöteten Zivilist:innen am Montag mit 973 an. Die meisten Opfer forderten die Angriffe in Latakia, gefolgt von Tartus weiter südlich. Auch in Homs und Hama ist es den Angaben zufolge zu Exekutionen von Alawit:innen gekommen. Unter den Opfern befinden sich auch viele Frauen, Kinder und alte Menschen.

HTS zeigt wahres Gesicht

Nach Ansicht von Mela Mihemed Xerzî, dem Ko-Vorsitzenden des Demokratischen Islamkongresses (DÎK) in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, offenbare sich mit den Massakern an Alawit:innen das wahre Gesicht der von der Dschihadistenkoalition „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) gestellten „Übergangsregierung“. Die Versprechen eines vereinten und inklusiven Syriens seien leere Floskeln, das Ziel der neuen Herrscher in Damaskus sei ein islamistisch-zentralistisches Regime, das die Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten ignoriert, sagte Xerzî im ANF-Gespräch.

„Das Assad-Regime war baathistisch, nicht alawitisch“

„Das Blutvergießen muss sofort aufhören und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, fordert der muslimische Geistliche. Xerzî weist darauf hin, dass es erste Hinrichtungen von Alawit:innen bereits mit der Machtübernahme von HTS im Dezember gegeben hat. Die Vermutung liege nahe, dass die Massaker Racheaktionen sind, weil auch der gestürzte Präsident Baschar al-Assad dieser religiösen Minderheit angehört. Der DÎK-Vorsitzende betont: „Das Assad-Regime war ein baathistisches Regime, kein alawitisches.“ Es gebe keine Rechtfertigung dafür, Mitglieder der alawitischen Minderheit zu bestrafen und zu verfolgen, nur weil die Assad-Familie, die Syrien über 50 Jahre lang brutal regiert hat, aus ihrer Gemeinschaft stammt.


„Baschar al-Assad ist alawitischen Glaubens, gewiss. Aber seine politische und militärische Bürokratie bestand überwiegend aus Sunniten“, so Xerzî. Es werde zu Unrecht behauptet, die Alawit:innen hätten von der Diktatur Assads profitiert. Solange sie nicht der kleinen Elite um den Clan der Ex-Herrscherfamilie angehörten, erlebten die Alawit:innen dieselben Nöte wie die übrige Bevölkerung Syrien auch. „Sie zahlten den gleichen Preis wie alle anderen, die der repressiven Baath-Diktatur als Feinde galten. Doch die neuen Herrscher setzen diesen Kurs mit noch brutalerer Gewalt fort.“

„Die neuen Herrscher bringen nur Tod und Besatzung“

Laut Xerzî unterscheidet sich die Herrschaft von HTS in ihrer autoritären Politik kaum von der des Assad-Regimes. Sie schaffe eine Atmosphäre der Angst, in der Andersgläubige als Abtrünnige vom Islam und damit vogelfrei gelten. Xerzî warnt: „Wenn dieser Terror nicht gestoppt wird, werden die Massaker, die derzeit an den Alawit:innen verübt werden, bald auf andere Bevölkerungsgruppen in Syrien übergreifen.“ Der Geistliche sieht in den Massakern in den Küstengebieten von Latakia und Tartus deutliche Hinweise auf einen Völkermord, der zu einer endgültigen Teilung Syriens führen könnte. „Syrien steuert auf das nächste Schlachtfeld – ohne Einheit und Zukunft“, befürchtet Xerzî. Er ruft die Minderheiten dazu auf, ihre Selbstverteidigung gegen die Dschihadisten zu organisieren.

Der Islam als Plädoyer für das Zusammenleben

Der Geistliche verweist auf den Koran, um die Angriffe der HTS-Ideologen als unislamisch zu entlarven: „Der Koran sagt klar, dass Gott verschiedene Völker und Kulturen erschaffen hat, damit sie sich kennenlernen und nicht bekämpfen.“ Gewalt gegen Andersgläubige sei nicht mit den Lehren des Islam vereinbar. „Syrien ist ein Land der Vielfalt – Alawit:innen, Drus:innen, Sunnit:innen, Christ:innen, Ismailit:innen und Ezid:innen gehören ebenso hierher. Niemand darf im Namen der Religion Massaker begehen oder Unterdrückung legitimieren“, betont Xerzî.

Forderung nach internationaler Intervention

Xerzî appelliert an die internationale Gemeinschaft, sofort einzugreifen, um die Massaker an den Alawit:innen zu stoppen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Nur durch eine entschlossene Antwort könne verhindert werden, dass Syrien in noch tieferes Chaos gestürzt werde. „Die Welt darf nicht schweigen, während ein Völkermord geschieht“, so der eindringliche Appell des Geistlichen.