Massenmorden durch HTS-Regierung
Drei Monate nach dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Baschar al-Assad haben die neuen islamistischen Machthaber ihr wahres Gesicht gezeigt und hunderte Menschen ermordet. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge wurden in den Küstengebieten des Landes seit Donnerstag mehr als 1.450 Menschen getötet, darunter über 970 Zivilist:innen, die meisten davon Alawit:innen. Die Beobachtungsstelle sprach von regelrechten „Jagdszenen“ und „Hinrichtungen“, bei denen auch viele Frauen, Kinder und ältere Menschen getötet worden seien. Tausende Menschen flüchteten ins Gebirge. Zugleich wurden den Angaben zufolge auch 230 Mitglieder der HTS-Führung sowie 250 Assad-Loyalisten und alawitische Aufständische getötet.
Die aus der Dschihadistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) hervorgegangene Regierung des selbsternannten Präsidenten Ahmed Al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Dschaulani hatte am Donnerstag ein „hartes Vorgehen“ gegen „Überreste von Assads Milizen und deren Unterstützer“ angekündigt, nachdem Ex-Militärs und lokale Aufständische in der Provinz Latakia etwa zwei Dutzend „Sicherheitskräfte“ getötet hatten. Die HTS-Führung in Damaskus schickte umgehend schwere Artillerie und tausende ihrer Milizionäre in die Region – und leitete damit das Massenmorden ein.

Şinda Adil Kişo, eine Kurdin aus Qamişlo, die an der Tischrin-Universität in Latakia Medizin studierte, wurde in der Nacht zum Freitag im Schlaf erschossen, nachdem ihr Wohnhaus in Latakia von HTS-Truppen beschossen wurde. | Foto: Beerdigung von Kişo am Sonntag in Tirbespiyê © ANHA
Die meisten Opfer gab es in Latakia, aber auch in Tartus, Hama und Homs wurden Zivilist:innen ermordet. Die Beobachtungsstelle sprach zuletzt von Massakern in 40 Orten in den westlichen Regionen Syriens und warf den Truppen der islamistischen Übergangsregierung Kriegsverbrechen vor. In sozialen Medien ist sogar von mehreren tausend Opfern die Rede. Auf X kursieren Videos von Exekutionen und von mit Leichen übersäten Straßen, die mit Bulldozern zusammengeschoben werden. Berichtet wird zudem von Plünderungen, Brandstiftungen, Entführungen und Vergewaltigungen. In der Küstenregion von Latakia und Tartus würden auch weiter Massaker an der Zivilbevölkerung verübt.
Racheakte an alawitischer Bevölkerung
Unter dem Vorwand, Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes zu verfolgen, gehen Mitglieder der islamistischen Regierung in Damaskus seit Monaten gegen die alawitische Minderheit an der Mittelmeerküste vor, der auch Ex-Präsident Assad angehört. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mit Sitz in Göttingen berichtete mehrfach von willkürlichen Verhaftungen, Plünderungen, Folter und Tötungen durch sunnitische Extremisten. Um die Bevölkerung vor Racheakten zu schützen, haben sich in den alawitischen Regionen lokale Widerstandsgruppen formiert. Unter ihnen befinden sich auch viele frühere Angehörige der Streitkräfte.
Foto: Schwarzer Kranz mit der Aufschrift „Stopp des Genozids an den Alevit:innen“ bei einer Protestveranstaltung am Sonntag, 9. März 2025, vor der syrischen Botschaft in Istanbul © Pirha