Prozessauftakt gegen IS-Mitglied wegen Genozid an Eziden

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat der Prozess gegen einen Iraker begonnen, dem unter anderem vorgeworfen wird, ein fünfjähriges ezidisches Mädchen verdursten lassen zu haben.

Mit der Anklageverlesung hat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main am Freitag der Prozess gegen einen 27 Jahre alten Iraker begonnen. Die Anklage wirft Taha A.-J. vor, ein fünfjähriges ezidisches Mädchen qualvoll verdursten lassen zu haben. Er wurde im Oktober nach Deutschland ausgeliefert und sitzt seither in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft legt dem mutmaßlichen Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zudem Völkermord, die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Menschenhandel zur Last.

Den Ermittlern zufolge soll Taha A.-J. das Mädchen und seine Mutter auf einem IS-Stützpunkt in Syrien gekauft und in seinem Anwesen im irakischen Falludscha zwischen Juli und September 2015 als Sklavinnen gehalten und misshandelt haben.

IS-Rückkehrerin steht in München vor Gericht

Weil das Mädchen auf eine Matratze urinierte, soll der Dschihadist das Kind und seine Mutter bestraft haben. Die Frau musste 30 Minuten im Hof des Anwesens barfuß bei 50 Grad im Schatten draußen verbringen. Der Boden war so heiß, dass ihre Füße verbrannten. Das Mädchen soll der Mann bei der glühenden Hitze mit Klebeband an ein Fenstergitter gefesselt und der gleißenden Sonne ausgesetzt haben. Das Kind verdurstete. Laut Anklage starb es qualvoll.

Die Bundesanwaltschaft stützt sich in ihrer Anklage auf die Angaben der ezidischen Mutter, die im Prozess gegen A.-J.s ehemalige Frau aussagte. Die aus Lohne in Niedersachsen stammende Jennifer W. soll tatenlos zugesehen haben, wie ihr Ehemann das Mädchen sterben ließ. Gegen die deutsche IS-Rückkehrerin läuft seit rund einem Jahr wegen desselben Todesfalls ein gesonderter Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Zudem wird ihr vorgeworfen, als Sittenpolizistin des IS patrouilliert zu haben.

In Griechenland gefasst

Die Ermittlungen kamen ins Rollen, weil W. einem verdeckten Ermittler in einem verwanzten Auto von der Tat berichtet haben soll, als sie versuchte, erneut in den Irak auszureisen. In Bayern wurde sie dann jedoch festgenommen. Später wurde die Mutter des Mädchens ausfindig gemacht.

A.-J. wurde im Mai 2019 in Griechenland festgenommen. Im Oktober wurde er nach Deutschland ausgeliefert und sitzt seither in Untersuchungshaft. Bis Ende August sind 23 Verhandlungstage angesetzt.

Überfall auf Şengal

Als der selbsternannte IS im August 2014 eines der Hauptsiedlungsgebiete der ezidischen Bevölkerung im Şengal-Gebirge überfiel und einen Genozid verübte, fielen diesem Völkermord neuen Schätzungen nach etwa 10.000 Menschen zum Opfer. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden entführt, mehr als 400.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und weitere Tausende werden bis heute vermisst. Dem vorausgegangen war der Abzug der Peschmerga-Einheiten aus der Region, die die Zivilbevölkerung schutzlos den Schergen des IS überlassen hatten. Den Guerillakämpfer*innen der PKK und den Volksverteidigungseinheiten YPG gelang es hingegen, zehntausende Ezidinnen und Eziden, die im Gebirge gefangen waren, das Leben zu retten, indem sie einen Fluchtkorridor freikämpften.