Die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar haben im Rahmen ihrer Gespräche mit der politischen Opposition die CHP in Ankara besucht. Im Anschluss an das Gespräch fand eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu statt.
Kılıçdaroğlu: Wir müssen miteinander sprechen
Kılıçdaroğlu brachte auf der Pressekonferenz zum Ausdruck, dass die Gesellschaft in der Türkei stark unter den herrschenden Konflikten gelitten hat und Bedarf nach einer Aussöhnung besteht: „Nicht der Streit, der Frieden muss für uns Vorrang haben. Wir müssen zusammenkommen und miteinander sprechen. Die Türkei hat kein Problem, das nicht gelöst werden könnte. Alle Probleme können mit Verstand, Logik, Erfahrungspotential und Scharfsinn gelöst werden. In diesem Rahmen haben wir die Probleme der Türkei auf den Tisch gelegt. Die werten Vorsitzenden haben ihre Gedanken zum Ausdruck gebracht. Wir haben unsere eigenen Gedanken ausgedrückt. Wir haben von der Wirtschaft gesprochen und über die Probleme von Gewerbetreibenden, Bauern, Rentnern und Mindestlohnarbeitern diskutiert. Sicherlich vertreten wir unterschiedliche Meinungen, aber jede Meinung hat für uns einen hohen Wert.“
Buldan: Über einen Regierungswechsel gesprochen
Pervin Buldan erklärte, dass die HDP Gespräche mit verschiedenen oppositionellen Parteien geführt hat, so am Dienstagvormittag auch mit der DEVA und anschließend mit der CHP. „Jede Partei stellt natürlich ihre eigene Meinung zu den grundsätzlichen Problemen vor. Das haben wir heute getan. Die Themen in der Türkei, die dringend eine Lösung erfordern, liegen auf der Hand. Als Oppositionsparteien haben wir die Verantwortung dafür übernommen und darüber gesprochen, wie wir die Probleme lösen können und was in einer Übergangszeit in der Türkei getan werden muss. Es hat ein Meinungsaustausch zwischen uns stattgefunden. Wir befinden uns in einer Krisenzeit. Das betrifft nicht nur die Wirtschaft, in der Türkei herrschen auf allen Gebieten Krisen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass neben einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise vor allem auch beim Thema Recht eine große Krise stattfindet.“
Die HDP-Vorsitzende verwies auf das ungesühnte Massaker von Roboskî und die Suche von Emine Şenyaşar nach Gerechtigkeit und erklärte weiter: „Um eine Lösung für alle diese Angelegenheiten zu finden, braucht die Türkei eine neue Denkweise und eine neue Regierung. Das wird mit der Entscheidung über vorgezogene Neuwahlen auf die Agenda kommen. Mit einer solchen Entscheidung wird die Türkei eine neue Regierung und eine neue Umgangsweise erhalten.“
Die HDP habe der CHP eine gemeinsame parlamentarische Initiative für Neuwahlen vorgeschlagen, der Vorschlag werde jetzt parteiintern beraten und innerhalb kurzer Zeit beantwortet, so Pervin Buldan.
Sancar: Das Regierungssystem muss sich ändern
Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar dankte Kılıçdaroğlu für die Kommunikationsbereitschaft und sagte, man sei sich einig darüber, dass in der Türkei eine multible Krise herrsche. Ein Ausweg lasse sich nur über einen breiten Dialog finden. Die Opposition sei in der Pflicht, die Demokratie in der Türkei wiederzubeleben, so Sancar: „Wenn wir zusagen, dass wir diesem Land Demokratie bringen werden, müssen wir das der Gesellschaft vor allem auch im Umgang miteinander zeigen.“
Die diversen Krisen im Land seien letztendlich eine Regierungskrise, aber gleichzeitig auch des Regierungssystems. Beide müssten zusammen bewältigt werden und ein Regierungswechsel müsse auch eine Veränderung des Regierungssystems einleiten. Das sei die Grundlage für die Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen.
Sancar warnte jedoch auf einer ausschließlichen Fokussierung auf Wahlen: „Die Bevölkerung leidet unter Armut, Hunger, Ungerechtigkeit und großem Unrecht in vielen Gebieten. Um das Volk zu schützen, sind wir zu einem gemeinsamen Vorgehen gezwungen. Bis zu den Wahlen gibt es noch viel Arbeit, die getan werden muss. Dazu gehört auch die Aufgabe, sich ab sofort gemeinsam mit der Frage der Sicherheit der Wahlen zu befassen.“
Die Regierung versuche sich mit einer gesellschaftlichen Polarisierung, Hetze und Feindseligkeit an der Macht zu halten: „Das ist ihre grundsätzliche Strategie für den Fortbestand ihrer Existenz: Spalten, polarisieren, Feindschaft schüren. Wir müssen auf das genaue Gegenteil setzen und der Gesellschaft zeigen, dass wir sozialen Frieden mit einem Dialog und Verhandlungen erreichen können. Das ist das größte Versprechen, das Oppositionsparteien der Gesellschaft geben können. Wenn es uns gelingt, die Botschaft zu vermitteln, dass wir unsere Unterschiedlichkeiten beibehalten, aber über den gemeinsamen Willen verfügen, gesellschaftlichen Frieden herzustellen, werden wir von der Gesellschaft unterstützt werden. Dann werden wir die Regierung abwählen und gleichzeitig die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Zukunft mit demokratischen Grundsätzen und im Frieden gestaltet werden kann. Aus diesem Grund ist der Austausch zwischen uns von großer Bedeutung. Die Gespräche zwischen den Delegationen werden fortgesetzt. Wir alle tragen die Verantwortung, die Probleme in der Türkei gemeinsam zu lösen. Dafür haben wir als HDP diese Gesprächsreihe gestartet und sind zu einer Fortsetzung entschlossen.“