Tag der politischen Gefangenen
In Erfurt und Jena wurde in den letzten beiden Tagen der Dokumentarfilm „Tearing Walls Down“ gezeigt. Eingeladen zu den gut besuchten Veranstaltungen hatten die Rote Hilfe Erfurt, Women Defend Rojava und die Gefangenensolidarität Jena. Anlass war der 18. März, der für den internationalen Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen steht. Mit dem Datum erinnert die Rote Hilfe seit 1923 an den Aufstand und die Niederschlagung der Pariser Kommune im Jahr 1871.
Die von Şerif Çiçek und Hebun Polat gemachte Dokumentation „Tearing Walls Down“ porträtiert das Leben und politische Wirken von Aysel Tuğluk, Figen Yüksekdağ und Gültan Kışanak – drei demokratisch gewählte Politikerinnen der HDP und BDP, die 2016 im Zuge der Repressionswelle nach dem einseitig von der türkischen Regierung mit der kurdischen Bewegung beendeten Friedensprozess inhaftiert wurden. Sibel Yiğitalp ist die vierte Protagonistin des Films. Die heute in Deutschland lebende Kurdin war von 2015 bis 2018 für zwei Legislaturperioden Abgeordnete der HDP für Amed (tr. Diyarbakır) im türkischen Parlament und setzt sich aus dem Exil für die Freilassung ihrer früheren Weggefährtinnen ein. Bei der Veranstaltung in Erfurt war Yiğitalp zu Gast und es fand im Anschluss an die Filmvorführung eine Podiumsdiskussion mit ihr statt.
„Tearing Walls Down“ ist eine Fortsetzung des Films „Gefängnis oder Exil“ und zeigt auf, unter welchem Druck und Repression die Opposition in der Türkei steht und dennoch nicht aufgibt. Yiğitalp berichtete nach dem Film über die sich zuspitzende Lage in den Gefängnissen der Türkei: „Der türkische Staat ist einer der Staaten mit den meisten politischen Gefangenen. Es wird gefoltert, gemordet, es gibt keine ärztliche Versorgung. Jeden Monat kommt durchschnittlich eine Person hinter Gittern zu Tode. Nach den Kommunalwahlen ist mit einer weiteren Welle der Verhaftungen zu rechnen.“ Denn in einem faschistischen Staat wie der Türkei gebe es keine Gerechtigkeit. „Faschismus hat keine Logik, keine Moral, keine Gerechtigkeit und keine Menschlichkeit“, sagte Yiğitalp. Sie betonte, wie wichtig der Widerstand der Gesellschaft gegen die Bedingungen in den Gefängnissen und die Solidarität mit den Gefangenen sei. Auch wenn es immer schwerer werde, die Menschen hinter den Gefängnismauern zu unterstützen, beharre die Gesellschaft auf ihren Überzeugungen in den Kampf um Freiheit. Sie seien Quelle der Kraft und Energie dafür, jeden Tag aufs Neue in den Widerstand zu gehen.
Infotisch in Jena
„Wir wissen, dass wir im Recht sind, und wir glauben an unseren Kampf. Es sind die Mütter, die Frauen, die in den Gefängnissen und auf der Straße jeden Tag kämpfen und von denen hier in Deutschland viel gelernt werden kann“, antwortete Yiğitalp auf die Frage, woher der Kampfesgeist der kurdischen Gesellschaft komme. „Wenn die Überzeugung des eigenen Kampfes stark genug ist, dann sehen wir an der Frauenrevolution in Iran und Rojhilat, was möglich ist, wenn Frauen sich unter dem Anspruch ‚Jin Jiyan Azadî‘ verbinden und gemeinsam kämpfen.“ An dieser Stelle wurde auch die Freiheit von Abdullah Öcalan ins Zentrum der Diskussion gerückt. Denn nur mit der Befreiung des kurdischen Vordenkers könne eine friedliche Lösung im Kampf für Freiheit, gegen Krieg und den türkischen Faschismus gefunden werden. „Nur mit der Befreiung von Öcalan wird ein friedlicher Dialog hergestellt werden können“, so Yiğitalp.
Kämpfe miteinander verbinden
Die enge Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei – dem kriegerischen Treiben des türkischen Staates in verschiedenen Regionen Kurdistans sowie der Repressionen innerhalb der Türkei gegen die politische Opposition zum Trotz – wurde ebenfalls thematisiert. „Das, was wir von hier aus tun können, ist Aufmerksamkeit zu schaffen und auf die mörderische Politik der Türkei und aller Nationalstaaten zu lenken, die Aufhebung des Verbots der PKK und die Freiheit von Abdullah Öcalan zu fordern und diese Forderungen in direkter Verbindung mit den Kämpfen gegen Feminizide und Ökozide zu sehen. Denn sie hängen direkt miteinander zusammen. Es geht darum, den Kampf gegen den türkischen Faschismus nicht unabhängig vom antifaschistischen Widerstand allgemein zu führen. Wir müssen uns international organisieren, internationale Solidarität praktisch leben. Denn nur wenn wir gemeinsame Ziele, Visionen und Perspektiven haben, können wir den Faschismus und das Patriarchat gemeinsam bekämpfen. Die Ideen der kurdischen Frauenbefreiungsbewegung sind uns darin ein Vorbild und es geht darum, diese jeden Tag zu verteidigen.“ Das waren Worte einer Aktivistin von Women Defend Rojava.