Festnahmen wegen Öcalan-Plakaten auf YSP-Kongress

Nach dem Kongress der YSP in Ankara, auf dem sich die Partei in HEDEP umbenannt hat, sind vier Personen auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft festgenommen worden. Der Grund: Transparente mit dem Konterfei von Abdullah Öcalan.

In Ankara sind vier Personen auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft der türkischen Hauptstadt festgenommen worden. Sie werden beschuldigt, Propaganda für eine „Terrororganisation“ betrieben zu haben, ließ der Gouverneur von Ankara am Sonntagabend in einer Mitteilung verlauten. Konkret geht es bei dem Vorwurf darum, dass die Betroffenen auf einem Kongress der Grünen Linkspartei (YSP) mehrere Transparente mit dem Konterfei von Abdullah Öcalan gezeigt und Parolen zugunsten des seit 1999 in der Türkei inhaftierten PKK-Begründers gerufen hätten.

Um wen es sich bei den Festgenommen handelt, ist bisher nicht bekannt. Auch ist unklar, wohin sie nach ihrer Festnahme verbracht worden sind. Die Ermittlungen seien „von Amts wegen“ eingeleitet worden, hieß es von Seiten der Behörden. In Anwaltskreisen geht man davon aus, dass die Beschuldigten zunächst einer Identitätsfeststellung auf der Antiterrorzentrale der Polizei Ankara unterzogen werden, bevor die Überstellung an die Staatsanwaltschaft stattfindet.

Die YSP hat am Sonntag in Ankara ihren vierten Kongress abgehalten und sich in „Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie“ (HEDEP) umbenannt. Zu den Ko-Vorsitzenden wurden Tülay Hatimoğulları Oruç und Tuncer Bakırhan gewählt. In Reden nach der Wahl sprach sich die genderparitätische Doppelspitze der HEDEP für die Abschaffung des Isolationsregime auf Imrali, wo Öcalan seit seiner völkerrechtwidrigen Verschleppung in die Türkei in politischer Geiselhaft gehalten wird, und Verhandlungen über eine Lösung der kurdischen Frage mit dem 74-Jährigen als Gesprächspartner aus. Diese Forderung wurde von zahlreichen Delegierten und Gästen des Kongresses unterstützt – unter anderem in Form von „Bijî Serok Apo“.

Das Skandieren dieser Parole, die übersetzt „Es lebe der Vorsitzende Apo“ bedeutet, stellt zwar nach Auffassung des türkischen Verfassungsgerichtshofs keine Straftat dar. Dennoch wird sie von der Polizei und den Staatsanwaltschaften als werbende Unterstützung der Belange der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bewertet. Personen, die sie verwenden, werden nicht selten nach der türkischen Anti-Terror-Gesetzgebung angeklagt und auch verurteilt. Auf Terrorpropaganda stehen bis zu fünf Jahre Haft.

Parole von Meinungsfreiheit gedeckt

Der Staatsgerichtshof mit Sitz in Ankara hatte im März 2020 in einem Urteil bekräftigt, dass die kurdische Parole „Bijî Serok Apo“ von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. In dem Beschluss wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Unterstrafestellung von angeblicher Terrorpropaganda in dem Zusammenhang als vermeintlich abstraktes Gefährdungsdelikt das Potenzial habe, auch andere verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten einzuschränken. Wenige Monate vor der überraschenden Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei wegen Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung wegen des Skandierens der Parole „Bijî Serok Apo“ verurteilt. Geklagt hatten zwei Aktivisten, die zu Geldstrafen verurteilt worden waren.

Geschichte der Parole „Bijî Serok Apo”

Die Parole „Bijî Serok Apo” hat eine lange Geschichte. Die Anfänge gehen zurück ins Jahr 1984, als sich eine Handvoll Guerillakämpfer:innen auf den Beginn des bewaffneten Widerstands in Kurdistan vorbereitete. Entsprungen ist „Bijî Serok Apo“ allerdings auf einem Sternmarsch von Hannover nach Bonn. Die Demonstration gilt als erster „Langer Marsch“ der kurdischen Exil-Community in Deutschland.