Festgenommene HDP-Politiker verweigern Nahrung
Die seit Freitag in Ankara in Polizeigewahrsam befindlichen HDP-Funktionäre verweigern die Nahrungsaufnahme. Der Protest richte sich insbesondere gegen die Verlängerung der Festnahmedauer.
Die seit Freitag in Ankara in Polizeigewahrsam befindlichen HDP-Funktionäre verweigern die Nahrungsaufnahme. Der Protest richte sich insbesondere gegen die Verlängerung der Festnahmedauer.
Im Polizeipräsidium der türkischen Hauptstadt Ankara verweigern Politikerinnen und Politiker der HDP (Demokratische Partei der Völker) die Nahrungsaufnahme. Es handelt sich um die Vorstandsmitglieder und Funktionäre, die vergangene Woche im Zuge des Repressionsschlags der türkischen Erdoğan-Regierung festgenommen worden waren. Mit der Nahrungsverweigerung protestieren die Betroffenen insbesondere gegen die Verlängerung der Festnahmedauer, die am Montag angeordnet wurde.
„Die Festnahme unserer Kolleginnen und Kollegen hat keine juristische Grundlage. Es handelt sich um einen von vielen politisch motivierten Vernichtungsfeldzügen der Regierung gegen unsere Partei“, erklärte der HDP-Abgeordnete Necdet Ipekyüz am Nachmittag vor dem Polizeipräsidium in Ankara. Seine Parteimitglieder wüssten seit Tagen noch nicht einmal, aus welchem Grund sie festgesetzt wurden. Über das Verfahren ist eine Geheimhaltungsverfügung verhängt worden, der Anwaltsbesuch wird weiterhin verweigert. Rechtsanwält*innen der HDP werden de facto daran gehindert, Widerspruch gegen das Fortdauern des Gewahrsams und die Geheimhaltung einzulegen, da ihnen auch der Zugang zum Gerichtsgebäude verwehrt wird.
Ipekyüz sprach von einem Konzept des „Feindstrafrechtes“, von dem die festgenommenen Politikerinnen und Politiker betroffen seien. „Wir sprechen daher von Folter und Misshandlung.“ Der Abgeordnete wies in dem Zusammenhang auf eine Lebensmittelvergiftung, die mindestens vier Personen in Gewahrsam erlitten haben. Der Ko-Bürgermeister der nordkurdischen Stadt Qers (türk. Kars), Ayhan Bilgen, sowie die ehemaligen HDP-Exekutivratsmitglieder Can Memiş und Ismail Şengün waren vorübergehend ins Krankenhaus eingeliefert worden. Unter den vergifteten Politiker*innen befindet sich auch die bekannte Frauenrechtsaktivistin und ehemalige HDP-Abgeordnete Ayla Akat Ata. Bei der Nahrungsverweigerung handele es sich somit um eine allgemeine Unmutsbekundungen. „Wir verurteilen diese Zustände auf das Schärfste und verlangen, dass ihre Vernehmung nicht noch weiter hinausgezögert wird“, erklärte Ipekyüz. Die Verlängerung von Festnahmedauern sind altbekannte Taktikten der türkischen Justizbehörden, um Straftaten zu erfinden und mit fingierten Beweisen vor Gericht die Verhaftung unliebsamer Menschen zu erwirken.
Neuer politischer Putsch
In sieben Provinzen der Türkei sind am Freitag in einer groß angelegten Polizeioperation zwanzig Politiker*innen der HDP und weitere Aktivist*innen festgenommen worden. Nach weiteren 62 Personen wird gefahndet, 61 sollen sich im Ausland aufhalten. Unter den Festgenommenen befinden sich hochrangige Parteimitglieder, darunter auch der ehemalige Parlamentsabgeordnete und einstige Sprecher der Imrali-Delegation Sirri Süreyya Önder. Hintergrund ist ihre vermeintliche Beteiligung an Demonstrationen im Oktober 2014, als die HDP anlässlich des IS-Angriffs auf die Stadt Kobanê in Westkurdistan/Nordsyrien auch gegen die Unterstützung der türkischen Regierung für die dschihadistische Terrormiliz protestierte. Bereits die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş waren unter anderem wegen der Beteiligung an den „Kobanê-Protesten“ verhaftet worden. Sieben Abgeordneten droht zudem der Verlust ihrer parlamentarischen Immunität.