Evakuierung von 50 Kindern aus Hotspots „schäbige Symbolpolitik“

Die Ankündigung des Bundesinnenministeriums, nur 50 Kinder aus den überbelegten griechischen Hotspots zu evakuieren, stößt auf breite Kritik.

In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sitzen Zehntausende Schutzsuchende auf engstem Raum unter katastrophalen Bedingungen fest. Die Schutzsuchenden sollen auf den Inseln festgehalten werden, bis eine Entscheidung über ihre Rückschiebung in die Türkei entsprechend des EU-Türkei-Deals getroffen wird. Schon lange fordern zivilgesellschaftliche Organisationen die Evakuierung der Hotspots. Einer dieser Hotspots ist das berüchtigte Lager Moria. Hier müssen über 20.000 Schutzsuchende in einem für 3.000 Personen ausgelegten Lager leben. Sauberes Wasser, Toiletten und Hygieneartikel sind knapp; ein idealer Nährboden für die Ausbreitung der Corona-Pandemie. In den Lagern befinden sich auch mehr als 4.000 unbegleitete Jugendliche. Mit dem Abzug der Hilfskräfte aus den Lagern sind diese vollkommen ungeschützt. Seit Wochen wird diskutiert, 1.400 besonders vulnerable Jugendliche sofort zu evakuieren. Seither ist nichts passiert. Da auch der Druck innerhalb der Unionsparteien immer größer wurde, kündigte gestern das Bundesinnenministerium an, in der Woche nach Ostern 50 unbegleitete Kinder bzw. Jugendliche aus den Lagern aufzunehmen. Diese Ankündigung stößt aufgrund der geringen Zahl auf breite Kritik.

Scharfe Kritik von Seiten der Kirchen

Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland werfen der Bundesregierung und anderen EU-Ländern Versagen in der Frage der Evakuierung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen aus den Lagern in Griechenland vor. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, erklärte gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung: „Es ist ein richtiger Schritt, dass jetzt endlich 50 Kinder kommen können. Aber es ist viel zu wenig.“

Corona-Ausbruch in Lagern hätte „dramatische Folgen“

Der Kirchenfunktionär weiter: „Wir bemühen uns seit Wochen darum, dass Deutschland und Europa endlich Solidarität zeigen und eine humanitäre Katastrophe abgewendet wird. Wenn sich das Corona-Virus in dem völlig überfüllten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ausbreitet, hätte das dramatische Folgen.“ Er forderte, dass zumindest die zugesagten 1500 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen ausgeflogen werden müssten.

Deutsche Katholiken: „Beschämende Folge rechtspopulistischen Gedankenguts“

Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, kritisierte die europäischen Regierungen scharf und bezeichnete die Lage der Menschen in den Hotspots gegenüber der Passauer Neuen Presse als „beschämende Folge rechtspopulistischen Gedankenguts in Europa“. Angesichts der geringen Zahl von der Bundesregierung zugesagter Aufnahmen, sagte er: „Wir müssen zeigen, dass Humanität in Europa keine Dekoration ist, sondern zu seinen Grundpfeilern gehört.“

Jelpke: „Schäbige Symbolpolitik“

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung ebenfalls scharf: „Während die Bundesregierung keine Mühen scheut, um zehntausende deutsche Urlauber aus der ganzen Welt nach Deutschland zurückzuholen, will sie nach Wochen des Nichtstuns gerade einmal 50 Kinder aus den Elendslagern auf den griechischen Inseln aufnehmen. Diese national beschränkte Engstirnigkeit ist erbärmlich. Solidarität und Hilfsbereitschaft dürfen nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden.“

Die Abgeordnete warnt: „Angesichts der drohenden Ausbreitung des Corona-Virus in den Hotspots muss Schluss sein mit schäbiger Symbolpolitik. Die Bundesregierung muss jetzt endlich entschlossen handeln und in großem Umfang Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach Deutschland holen. Die Solidarität in der Bevölkerung ist groß, Woche für Woche gehen Menschen auf die Straße und fordern die Aufnahme der Menschen aus den griechischen Hotspots – selbst unter den erschwerten Bedingungen von Versammlungsverboten.

Massenlager an den europäischen Außengrenzen sind keine Lösung, sondern Teil des Problems, das zeigt die Corona-Krise erneut. Sie gehören aufgelöst – auf den griechischen Inseln und anderswo.“