Erpressungsversuche gegen HDP-Kreisvorstandsmitglieder
Die türkische Polizei versucht, Vorstandsmitglieder der HDP-Esenyurt durch Bestechungs- und Erpressungsversuche zur Spitzeltätigkeit zu nötigen.
Die türkische Polizei versucht, Vorstandsmitglieder der HDP-Esenyurt durch Bestechungs- und Erpressungsversuche zur Spitzeltätigkeit zu nötigen.
Der Repression gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) findet auf vielen Ebenen statt. Insbesondere vor den Wahlen nimmt der Druck auf die demokratische Oppositionspartei zu. Neben dem Verbotsverfahren, der Sperrung der Parteienfinanzierung und den systematischen Festnahmeoperationen setzt die türkische Polizei Mitglieder der HDP und sogar Vorstandsmitglieder unter Druck, um sie zur Spitzeltätigkeit zu bewegen.
Zuletzt kam ein solcher Erpressungsversuch im HDP-Kreisverband von Istanbul-Esenyurt ans Licht. Die Vorstandsmitglieder Hicran Yıldız und Muhammed Baran aus dem Istanbuler Stadtbezirk Esenyurt haben ANF von der Repressionsmaßnahme berichtet.
Erste Vorladung
Muhammed Baran erklärte, er sei zunächst angerufen und dann auf die Polizeiwache vorgeladen worden, um eine Aussage zu machen. Nach diesem Anruf informierte Baran den HDP-Vorstand. Nach einer Weile wurde er erneut von der Polizei angerufen. Ihm wurde gesagt, dass er zu einer Person befragt werden solle. Polizisten lauerten ihm schließlich in einem Park in der Nähe seiner Wohnung auf und boten ihm eine Kooperation an.
Fragen zum Wahlkampf der HDP
Hicran Yıldız erklärte, dass sie, als sie das Krankenhaus nach einer medizinischen Untersuchung verließ, von der Polizei angerufen und für eine Aussage auf die Kıraç-Wache in Esenyurt vorgeladen wurde. Die Lokalpolitikerin folgte der telefonische Ladung nicht und wurde daraufhin mehrmals angerufen. Beim letzten Anruf wurde behauptet, dass es ein Problem bei ihrem Bruder gäbe, der gerade seinen Militärdienst ableistet. Daraufhin ging Yıldız doch zur Wache. Auf der Polizeiwache war der Fall jedoch unbekannt. Als Yıldız schließlich die Nummer zeigte, von der sie angerufen worden war, wurde ihr gesagt, sie müsse in den dritten Stock des Reviers zur Antiterrorabteilung. Dort angekommen wurde sie von zwei Polizisten befragt. Keine der Fragen bezog sich auf ihren Bruder. Die Polizisten gaben offen zu, dass sie ja nicht gekommen wäre, wenn sie den Bruder nicht erwähnt hätten. Stattdessen sagten die Polizisten, sie wollten mit ihr über den Wahlkampf der HDP sprechen. Yıldız wurde gefragt, ob die HDP den CHP-Kandidaten Ekrem Imamoğlu unterstützen würde, was die HDP plane und was auf den Sitzungen der HDP gesprochen werde. Als sie nicht bereit war, diese Fragen zu beantworten, erzählten sie ihr viele Dinge aus ihrem Privatleben. Damit wurde versucht, eine implizite Drohkulisse aufzubauen und zu zeigen, wie engmaschig sie überwacht wird.
Geldangebote und Morddrohungen
Muhammed Baran gab an, dass die Polizeibeamten, die mit ihm vor allem am Telefon sprachen, wussten, dass er sich in einer schwierigen finanziellen Situation befand. Sie boten ihm Geld an und behaupteten, sie könnten dafür sorgen, dass sein sechsjähriges Kind eine gute Schule besuchen könne. Baran sagte, dass er Tag und Nacht angerufen wurde, vor allem über WhatsApp. Sie hätten ihm gedroht, Konflikte in der Familie hervorzurufen und sogar sein Kind zu töten, wenn er ihr „Angebot“ nicht annehme. Einige dieser Nachrichten hat Baran gespeichert. Er bereitet jetzt eine Klage über seinen Anwalt vor.
Auch Hicran Yıldız sollte bestochen werden. Ihr wurde gesagt, dass sie ja neu verheiratet und verschuldet sei. Die Polizei könne ihre Schulden bezahlen und ihr Bruder beim Militär befördert werden. Yıldız wurde sogar angeboten, ihr die Fragen für ihre Prüfung an der Universität und einen ihren Wünschen entsprechenden Studienplatz zu beschaffen. Wenn sie als Agentin arbeite, werde sie keine finanziellen Probleme mehr haben.
Die beiden HDP-Kreisvorstandsmitglieder gaben an, dass die Polizei ihre finanzielle Situation genau kannte und ihre Bewegungen observiert habe. Beide Lokalpolitiker:innen haben trotz der Drohungen gegen ihre Familien und Bestechungsversuchen die Anwerbeversuche abgelehnt und machen diese nun öffentlich.