Erdoğan ist nicht willkommen

Der Berliner Rechtsanwalt Lukas Theune ist einer der Anmelder der Demonstration, die am 29. September gegen den Besuch Erdoğans in Berlin stattfinden wird. In einem Interview erklärt er, warum der Protest wichtig ist und von vielen Unterstützung findet.

Seit dem 7. August ist es offiziell: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kommt am 28. und 29. September auf Staatsbesuch nach Berlin. Dort werden ihn Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier mit militärischen Ehren und einem Staatsbankett empfangen. Warum habt ihr euch als „Erdoğan Not Welcome“-Bündnis dazu entschieden, gegen Erdoğan zu protestieren?

Erdoğan hat die Türkei in kurzer Zeit zu einem diktatorisch regierten Land umgebaut, in dem Freiheiten der Einzelnen nichts mehr gelten. Er hat Tausende Wissenschaftler*innen und Gewerkschafter*innen entlassen, die freie Presse abgeschafft und Tausende Leute unter den absurdesten Vorwürfen eingesperrt, so viele, dass die Knäste jetzt völlig überfüllt sind. Seit 2015 hat er zudem in Kurdistan ganze Städte und Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht und mit Militär angreifen lassen. Ungezählte Bürger*innen sind wegen ihm gestorben oder haben alles verloren.

Wir finden nicht, dass diesem Diktator und Mörder eine politische Bühne geboten werden darf, in der er in aller Form und mit militärischen Würden empfangen wird. Wir hoffen, dass die Berliner*innen genug haben von dem rein an Wirtschaftsinteressen orientierten Kurs der Bundesregierung und stattdessen am 29. September ein klares Zeichen setzen, dass ein Diktator in dieser Stadt nicht willkommen ist.

Was meint ihr ist die Motivation der Demonstranten in Deutschland gegen den türkischen Staatspräsidenten zu protestieren?

Die Menschen in Deutschland haben seit langem eine enge Verbindung zu der Bevölkerung in der Türkei. Berlin ist die drittgrößte türkische Stadt, viele Kurd*innen leben hier, viele mussten hierher fliehen. Dazu gibt es auch viele Leute, die sich mit der unter der Diktatur lebenden Bevölkerung in der Türkei solidarisieren, weil sie für ein erträgliches Leben überall auf der Welt einstehen. Es gibt viele unterschiedliche Motivationen – Arbeiter*innen werden an ihre entlassenen Gewerkschaftskolleg*innen denken, Studierende an die inhaftierten Wissenschaftler*innen, andere sehen auch den Zusammenhang zwischen der deutschen Rüstungsindustrie, etwa die in Efrîn einrollenden Leopold-Panzer, und dem Krieg in Kurdistan.

All diese Menschen werden am 29. September vereint ihre Stimme heben gegen die Kooperation der beiden Regierungen und für die vielen Menschen in der Türkei und Kurdistan, die sich trotz der enormen Repression nach wie vor für eine andere Gesellschaft einsetzen.

In Berlin kam es am 18. August bei einer Demonstration gegen die türkischen Luftangriffe auf Şengal zu Festnahmen, weil Aktivisten die Parole „Erdoğan ist ein Mörder und Faschist“ gerufen haben sollen. Wie schätzt du diese Festnahmen im Kontext des anstehenden Besuchs Erdoğans ein?

Die Berliner Polizei leistet hier bereits vorauseilenden Gehorsam – eine Parole, die offensichtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wird hier kriminalisiert, um Erdoğan den roten Teppich auszurollen. Wenn die Staatsanwaltschaft die Verfahren dann wieder einstellt, ist der Schaden schon entstanden.

Es hat schon System, dass es immer vor Treffen zwischen Merkel und Erdoğan Verhaftungen, Durchsuchungen und andere Schikanen gegen die kurdische Bewegung kommt. Der polizeiliche Austausch zwischen Deutschland und der Türkei funktioniert nach wie vor und ununterbrochen einwandfrei.

Was erhofft ihr euch von solch einer Demonstration?

Am liebsten wollen wir natürlich den Staatsbesuch verhindern; dafür müsste der politische Druck aber noch größer sein. Vor allem aber wollen wir den Menschen in der Türkei und in Kurdistan ein Zeichen der Solidarität senden – ihr seid nicht allein mit dem Diktator Erdoğan, wir sind auf eurer Seite, es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem Erdoğan unbesorgt und ohne Proteste auftreten kann – bis dann irgendwann der Haftbefehl aus Den Haag kommt.