Prozess gegen Kenan Ayaz: „Verwirrung größer als zuvor“

Am Montag fand der 13. Hauptverhandlungstag im Prozess gegen Kenan Ayaz wegen Mitgliedschaft in der PKK statt. Zum zweiten Mal wurde der Zeuge L., Leiter der Abteilung Auswertung des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg, gehört.

Am Montag (15. Januar 2024) wurde der Zeuge L. im Prozess gegen Kenan Ayaz vor dem OLG Hamburg zum zweiten Mal gehört. Allerdings konnte bzw. wollte er die noch offenen Fragen der ersten Vernehmung nur zum Teil beantworten. Zu klären galt unter anderem, was der V-Mann des LfV dazu gesagt hatte, von welcher geografischen Einheit – Gebiet, Region, Sektor – Kenan Ayaz vermeintlich der Leiter gewesen sein soll. L. nahm seine Angaben vom 10. Januar zurück, Kenan Ayaz sei der Sektorleiter gewesen, sondern gab an, die Quelle hätte nur angegeben, er sei der Gebietsleiter von Hamburg. Laut L. würde es sich hierbei jedoch insofern um eine Doppelleitung handeln, als dass der Gebietsleiter von Hamburg stets auch der Regionsleiter sei. Dies hätte er aus Akten früherer Leiter geschlossen, die als allgemeine Erkenntnisse zu werten seien.

Auch die Frage, wann die Zuständigkeit von Ayaz endete, konnte nicht eindeutig beantwortet werden. Im Raum steht, ob es sich hierbei um Januar oder März 2019 handelt. Der Zeuge legte sich aber darauf fest, ihr V-Mann habe angegeben, dass spätestens im März 2019 eine neuer Gebiets- und Regionsleiter gekommen wäre. Dies steht im Gegensatz zur Anklage, die einen längeren Zeitraum behauptet.

Als die Verteidigung wissen wollte, wie lange die V-Person vor und nach den Angaben zu Kenan Ayaz (September 2018 bis Januar 2019) für das LfV Hamburg gearbeitet hätte, hüllte sich der Zeuge in Schweigen. Die Verweigerung der Antwort wurde damit begründet, dass Aussagen diesbezüglich möglicherweise Rückschlüsse auf die Identität der angeworbenen Person ermöglichen würden. Dies sorgte für Verwunderung, da L. bei der letzten Anhörung noch aussagen konnte, dass die V-Person rückwirkend von 2018 an mindestens fünf Jahre für das LfV Hamburg gearbeitet hatte. Zurecht äußerte die Verteidigung, dass nun die Verwirrung größer sei als vor der heutigen Anhörung.

Zudem fand offensichtlich keine Plausibilitätsprüfung der von der V-Person gemachten Angaben statt. So konnte der Zeuge nicht angeben, dass seine Abteilung die Angaben des V-Mannes z.B. mit anderen Angaben vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder auch einem früheren Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts abgeglichen hatte, in denen andere Tatsachen behauptet wurden, als die von dem hamburgischen V-Mann gelieferten.

Vertrauensdolmetscher:in abgelehnt

Zum Schluss wurde ein Antrag auf eine:n Vertrauensdolmetscher:in vonseiten des Gerichts zum wiederholten Mal abgelehnt. Die Verteidigung hatte erneut eine:n Vertrauensdolmetscher:in beantragt, weil das Gericht eine neue Dolmetscherin am nächsten Verhandlungstag einsetzen wird, die nicht das Vertrauen der Verteidigung hat. Die Verteidigung führte aus, dass das Gericht in dem Wissen, dass diese Dolmetscherin nicht das Vertrauen der Verteidigung genießt, geladen wurde, obwohl eine Dolmetscherin zur Verfügung gestanden hätte, mit der die Verteidigung auch für die Verteidigungsgespräche zusammenarbeitet. Das Gericht will somit nicht nur klarstellen, wer in dem Sitzungssaal das Sagen hat, sondern noch weitergehend bestimmen, mit wem die Verteidigung zusammenarbeitet und wer ihr Vertrauen genießen sollte und wer nicht.

Heute wird zum vierten Mal der Sachverständige Dr. Günter Seufert gehört. Weitere Prozesstermine, jeweils von 9:30 bis 16:00 Uhr, Oberlandesgericht Hamburg (Sievekingplatz 3), Saal 237:
Mittwoch, 17.1.2024
Donnerstag, 25.1.2024
Freitag, 26.1.2024
Montag, 29.1.2024
Montag, 5.2.2024
Dienstag, 6.2.2024
Donnerstag, 8.2.2024
Montag, 12.2.2024
Mittwoch, 14.2.2024
Freitag, 16.2.2024
Montag, 26.2.2024

Auf der Seite kenanwatch.org gibt es Informationen in den Sprachen Griechisch, Englisch und Deutsch über den Prozess und die Proteste auf Zypern und in Deutschland. Die Solidaritätsinitiative teilt mit: „Kenan Ayaz freut sich über Post. Auch wenn ihr kein Kurdisch oder Türkisch könnt, schreibt ihm, da die Post auch übersetzt werden kann. Unbedingt ,Ayas' schreiben, damit die Briefe auch an ihn zugestellt werden."

Kenan Ayas
Untersuchungshaftanstalt Hamburg
Holstenglacis 3
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