Ehemalige HDP-Vorsitzende bleiben im Gefängnis

Im Verfahren gegen Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş wegen „Volksverhetzung“ aufgrund der Kobanê-Proteste im Oktober 2014 ist in Ankara erneut ein Haftprüfungstermin für die beiden ehemaligen HDP-Vorsitzenden negativ beschieden worden.

Die früheren Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker, Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş, bleiben weiterhin in Geiselhaft. Ein Gericht in Ankara hat am Montag einen weiteren Haftprüfungstermin im Verfahren wegen „Volksverhetzung“  gegen die beiden Politiker*innen negativ beschieden. Die 8. Strafkammer am Amtsgericht in der türkischen Hauptstadt begründete ihre Entscheidung mit Fluchtgefahr, die durch Meldeauflagen nicht verhindert werden könne. Zuletzt fiel eine gleichlautende Entscheidung im vergangenen Mai. Wann der Prozess gegen Yüksekdağ und Demirtaş eröffnet wird, ist unterdessen noch immer unklar, da die Anklageschrift nach wie vor nicht ausgearbeitet ist.

Die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş wurden am 4. November 2016 zeitgleich mit zahlreichen weiteren Abgeordneten ihrer Partei festgenommen und anschließend inhaftiert. Seitdem sitzen sie in Kandira beziehungsweise Edirne im Gefängnis. Vergangenen September wurden die Haftbefehle gegen beide Politiker*innen überraschend aufgehoben. Auf Betreiben des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan wurde jedoch das Verfahren wegen „Verbreiten von Hass und Aufstacheln zur Gewalt“ neu aufgerollt und ein erneuter Haftbefehl erwirkt. Erdoğan erklärte dazu: „Wir können sie nicht freilassen. Die haben das Parlament infiltriert. Unsere Nation vergisst diejenigen nicht, die die Menschen auf die Straßen gerufen und unsere Söhne ermordet haben. Wir werden sie bis zum Letzten verfolgen und niemals ablassen.“ In dem Verfahren stehen auch Vorwürfe wie die versuchte „Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates“, „Anstiftung zur Plünderung zum Vorteil einer Terrororganisation“ und „Freiheitsberaubung“ im Raum.

Kobanê-Proteste im Oktober 2014

Am Abend des 6. Oktober 2014, nach 21 Tagen Widerstand der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der größtenteils kurdischen Bevölkerung, war es der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat” (IS) gelungen, ins Stadtzentrum der nordsyrischen Stadt Kobanê einzudringen. Angesichts der kritischen Situation in Kobanê hatte die HDP die Bevölkerung Nordkurdistans und der Türkei zu einem unbefristeten Protest gegen die AKP-Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen türkischen Sicherheitskräften und den Protestierenden: Soldaten, Polizisten, Dorfschützer sowie Mitglieder und Anhänger der radikalislamistischen, türkisch-kurdischen Hisbollah (Hizbullah) führten einen gemeinsamen Kampf gegen Kurd*innen, die sich an den Protesten beteiligten. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmer*innen des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 und 53. Politiker aus dem Lager der AKP greifen immer wieder auf die Behauptung zurück, Demirtaş und Yüksekdağ seien für den Tod dieser Menschen verantwortlich.