Efe: Folter dient heute zur Unterwerfung

Ümit Efe von der Menschenrechtsstiftung in der Türkei (TIHV) vergleicht die Folterpraxis heute mit der nach dem Militärputsch von 1980 und sagt, damals sei Folter zur Erzwingung von Aussagen angewandt worden, heute diene sie der Unterwerfung.

Die Debatte um Folter in der Türkei und Nordkurdistan ist mit den Aussagen, in denen der ehemalige Funktionär des Geheimdienstes MIT, Mehmet Eymür, seine Folterpraxis lobt, von neuem aufgeflammt. Ümit Efe von der Menschenrechtsstiftung in der Türkei (TIHV) sagt, es sei Ausdruck der Politik des Staates, wenn sich Eymür einfach so hinstellen und die Folterpraxis loben könne. Efe selbst hat als Zeitzeugin Erfahrung mit Folter. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 befand sie sich im Jahr 1981 neunzig Tage auf der Polizeidirektion von Gayrettepe und lernte dort als 19-Jährige die Folter selbst kennen. Sie war dort die letzte, die Nurettin Yedigöl gesehen hatte, der gefoltert wurde und in Haft „verschwunden“ ist.

Stromschläge, Prügel, Aufhängen und Verschwindenlassen

Im ANF-Gespräch erklärt die Menschenrechtsaktivistin, dass die Folterpraxis in der Türkei nie aufgehört habe und auch weiterhin andauere. Sie erinnert sich an ihre Festnahme 1981 bei einer Razzia: „Mir wurden die Augen verbunden. Ich wusste nicht, wer meine Folterer waren, weil sie sich gegenseitig mit Codenamen nannten. Es gab Schläge, Strom, wir wurden gerädert, an den ‚Palästinenserhaken‘ gehängt und mit Hunden bedroht … Wir wurden ununterbrochen gefoltert. Ich sage ‚wir‘, denn ich war nicht die einzige. Sie schlugen uns, bis uns Blut aus Mund und Nase lief, ohne etwas zu fragen. Dort habe ich Tarik Akan gesehen. Ich bin eine der letzten, die Nurettin Yedigöl gesehen hat, bevor er in Haft verschwunden ist. Die Samstagsmütter fragen seit Jahren nach seinem Schicksal. Ich wurde in derselben Folterkammer verhört. Sie nahmen uns die Augenbinde zur Gegenüberstellung ab. Ich kannte ihn damals nicht. Wir blieben drei oder vier Tage zusammen, dann war er verschwunden. Er wurde in dem Haus in Idealtepe verhaftet, in dem ich ebenfalls festgenommen wurde und das später in eine Polizeiwache umgewandelt wurde. Danach hörten wir nie wieder von ihm. Wir haben gesehen, wie auch andere Menschen in Decken gewickelt weggebracht wurden. Aber bei Nurettin war ich direkte Zeugin.“

Die Täter sind so entspannt, weil Folter Staatspolitik ist“

Efe wurde anschließend fünf Jahre lang in verschiedenen Gefängnissen, von Metris bis Bayrampaşa, gefangen gehalten und erlebte die Politik der Folter unter dem Motto der Zwangsmilitarisierung am eigenen Leib. Dazu kam, dass sie und ihre Mitgefangenen gezwungen wurden, Gefängniskleidung zu tragen und in Reihen zu laufen. Sie wurden immer wieder nackt durchsucht. Efe berichtet jedoch auch von permanentem Widerstand.

Ümit Efe widmet ihr Leben dem Kampf für Menschenrechte, um zu verhindern, dass andere das Gleiche erleiden müssen. Sie betont, die Folter in der Türkei habe niemals aufgehört, auch wenn die Täter und die Methoden heute andere sind, sei Folter weiterhin Staatspolitik.

Noch nie wurde Folter so offen legitimiert“

Efe sagt, es sei nun mit den Äußerungen von Mehmet Eymür das erste Mal, dass Folter so offen verteidigt wird. „In diesen Jahren gab es systematische Folter, aber es gab niemanden, der sie offen verteidigte. Sogar meine Mutter glaubte nicht, dass es in diesem Land Folter gäbe, bis ihre eigene Tochter gefoltert wurde. Heute wird Folter ganz offen legitimiert. Wir wollen, dass die Folterer ihre Verbrechen gestehen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird und sie bestraft werden. Hunderte von Verfahren wurden einfach eingestellt. Heute sind die Straßen und Städte zu Folterkellern geworden. Während des Gezi-Aufstands konnten die Straßen und Stadtviertel die Folter bezeugen. Als die Städte abgeriegelt wurden, wurden Şirnex, Cizîr, Nisêbin, Gever und Sûr zu Folterkammern. Folter wird nicht nur öffentlich verteidigt, sondern findet auf der Straße statt. Bei der Folter geht es nicht mehr darum, Aussagen zu erpressen, sondern die Gesellschaft einzuschüchtern und zu unterwerfen. Damals, als wir 90 Tage gefoltert wurden, ging es darum, Aussagen zu bekommen. Es ging darum, Schuldige oder Zeugen zu schaffen. Als widerständiger Mensch, der der Folter widerstand und sich nicht unterwarf, habe ich von meinem Recht Gebrauch gemacht, zu schweigen und nicht auszusagen. Und wenn der Staat ‚stark‘ ist, ist er verpflichtet, eine Anklage zu beweisen. Er ist auch verpflichtet, den Einzelnen zu schützen. Auch Menschen, die selbst hingegangen sind, wie Murat Yildiz, verschwanden in Haft, gar nicht zu reden von denen, die bei Razzien festgenommen wurden“, erklärt sie.

Kette der Straflosigkeit durchbrechen“

Efe unterstreicht, dass zuerst die Kette der Straflosigkeit durchbrochen werden müsse, wenn man Folter verhindern wolle: „Ich habe 1984 Strafanzeige wegen des Verschwindens von Nurettin Yedigöl eingereicht. Aber in der Antwort, die ich erhielt, wurde unterstellt, dass der Vorfall nicht real sei, es keine solche Person in den Aufzeichnungen gebe und dass wir die Schuldigen seien.“

Ümit Efe, die seit Jahren für die Verfolgung von Folterern und die Abschaffung von Folter kämpft, betont, dass Folter ein Verbrechen gegen die Menschenwürde darstellt: „Wir haben immer versucht, diejenigen zu entlarven, die die Grundrechte und Grundfreiheiten beseitigen wollten. Wir werden diese Verfahren bis zum Ende verfolgen. Wir werden niemals unseren Willen aufgeben, die Wahrheit zu sagen.“