Zeycan Yedigöl war eine der Frauen, die sich seit 1995 Samstag für Samstag vor dem Galatasaray-Gymnasium in Istanbul versammeln und Rechenschaft für ihre in Haft „verschwundenen“ Angehörigen fordern. Nun ist die Aktivistin im Alter von 98 Jahren gestorben. Zu ihrer Totenfeier in einem alevitischen Cem-Haus in Istanbul kamen nicht nur Angehörige, sondern auch viele Menschen, die sie auf ihrer Suche nach ihrem verschwundenengelassenen Sohn Nurettin Yenigöl begleiteten und oft selbst Angehörige haben, die für immer in den Folterkellern des türkischen Staates verschwunden sind.
„Du hast nicht aufgeben und wir werden nicht aufgeben“
Die Initiative der Samstagsmütter erklärt zum Tod von Zeycan Yedigöl: „Ruhe sanft, Mutter Zeycan, dein Beharren bei der Suche nach Nurettin und nach Gerechtigkeit ist unser Auftrag. Du hast nicht vergessen und wir werden nicht vergessen. Du hast nicht vergeben und wir werden vergeben. Du hast nicht aufgegeben und wir werden nicht aufgeben.“
Nurettin Yedigöl: Zu Tode gefoltert und „verschwunden“
Der bekennende Sozialist Nurettin Yenigöl wurde am 10. April 1981, wenige Monate nachdem sich das Militär im September 1980 an die Macht geputscht hatte, in Istanbul festgenommen. Dort wurde er eine Woche lang bei der „politischen Polizei“ auf der Wache Gayrettepe, die in den 1980er Jahren zum Synonym von schweren Menschenrechtsverletzungen wurde, zu Tode gefoltert. Zehn Zeugen sagten in verschiedenen Verfahren aus, Yedigöl zuletzt am 17. April 1981 gesehen zu haben. Immer wieder sei er in die „Folterkammer“ der Polizeiwache gezerrt worden, ganze vier Tage habe man ihn gar nicht zurück in seine Zelle gebracht. Ihm sollen sogar Nägel in den Kopf geschlagen worden sein. Zum Schluss behauptete die Polizei, eine Person namens Nurettin Yedigöl gar nicht in Gewahrsam genommen zu haben, obwohl er im Vorfeld seiner Festnahme zur Fahndung ausgeschrieben war.
Fast vier Jahrzehnte kämpfte Zeycan Yedigöl um Gerechtigkeit für ihren zum Zeitpunkt seines „Verschwindens“ 26 Jahre alten Sohn. Immer wieder wurde sie dabei eingeschüchtert und bedroht. Drei von ihr angestrengte Verfahren zum Tod Nurettin Yedigöls unter Folter haben die türkischen Behörden seit 1981 solange verschleppt, bis die Verjährungsfristen abgelaufen waren.