Drei Jahre Haft: Hozan Canê in der Türkei verurteilt

Die Kölner Sängerin Hozan Canê ist in Abwesenheit in der Türkei zu einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden – wegen vermeintlicher PKK-Unterstützung. Als Beweis wurden Facebook-Inhalte und ihre Musikvideos herangezogen.

Die Kölner Sängerin Hozan Canê ist in Abwesenheit in der Türkei zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein Gericht im westtürkischen Edirne verurteilte die 58-Jährige am Montag zu drei Jahren, einem Monat und 15 Tagen Haft wegen vermeintlicher PKK-Unterstützung. Als Begründung wurden unter anderem Inhalte auf Facebook und Twitter sowie ihre Musikvideos herangezogen, mit denen sie Straftaten einer „Terrororganisation“ öffentlich gerühmt beziehungsweise gelobt haben soll. Für den Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft konnte der Staatsanwalt keine Beweise vorlegen.

Hozan Canê, die bürgerlich Saide Inaç heißt und nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, nahm nicht an der Verhandlung teil. Vor Gericht wurde sie von ihren Rechtsanwält:innen Nevroz Akalan und Mustafa Peköz vertreten. Diese wiesen die Anschuldigungen gegen ihre Mandantin zurück. „Die Rechtsprechung des Kassationshofes als oberstes Gericht setzt voraus, das für den Straftatbestand ‚Unterstützung einer Organisation‘ materielle Hilfe nachgewiesen werden muss. Die behauptete Unterstützung lässt sich durch Propaganda nicht begründen”, sagte Akalan und forderte Freispruch. Außerdem verwies sie darauf, dass es sich nachweislich um Fake-Accounts handele, über die die inkriminierten Inhalte verbreitet wurden und über die die Künstlerin keine Kontrolle gehabt habe.

Bereits mehr als zwei Jahre in Haft

Hozan Canê war kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Juni 2018 in Edirne festgenommen worden und saß mehr als zwei Jahre im Gefängnis. Im November 2018 war sie für den Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Im August 2020 wurde das Verfahren neu aufgerollt, nachdem der Kassationshof in Ankara, das höchste Berufungsgericht in der Türkei, das Urteil gegen die Künstlerin einkassierte und eine Neuverhandlung anordnete. Nach Auffassung des Gerichts seien die vorgelegten Beweise für eine angebliche „PKK-Mitgliedschaft” unzureichend gewesen. Die Anklage hatte sich ebenfalls größtenteils auf Inhalte von Facebook- und Twitter-Profilen gestützt. Auch wurde Hozan Canê vorgeworfen, in einem Spielfilm eine YPJ-Kämpferin dargestellt zu haben. Seit ihrer Haftentlassung galt eine Ausreisesperre gegen Hozan Canê, die vor drei Monaten aufgehoben wurde. Seit Juli befindet sich die Künstlerin wieder in Deutschland.

Tochter wurde ebenfalls in der Türkei verurteilt

Auch Hozan Canês Tochter Gönül „Dilan” Örs wird in der Türkei verfolgt. Ende Juni wurde sie wegen Terrorvorwürfen zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Die Anklage wegen „Propaganda“ für die kurdische Arbeiterpartei PKK, „Freiheitsberaubung unter Gewaltanwendung“ und „Entführung von Beförderungsmitteln“stützte sich im Wesentlichen auf Informationen, die das Bundeskriminalamt (BKA) an die Türkei weitergegeben hat. Örs hatte sich im Jahr 2012 an einer Protestaktion auf einem Schiff in Köln beteiligt. Eine Gruppe kurdischer Aktivist:innen hatte damals kurzzeitig einen Ausflugsdampfer auf dem Rhein besetzt, um mit der Verlesung einer Erklärung auf den damals in Straßburg durchgeführten Hungerstreik gegen die Isolation Abdullah Öcalans aufmerksam zu machen. Gegen die Beteiligten wurde ein Verfahren eingeleitet, das später eingestellt wurde. Die Erkenntnisse daraus gab ein Kontaktbeamter des BKA an die türkische Polizei weiter.