In Hamburg stand Cansu Özdemir, Ko-Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, vor Gericht. Sie hatte im November 2017 im Rahmen einer Twitter-Kampagne gegen das PKK-Verbot auf ihrem Account ein Bild der Nachrichtenagentur dpa mit einer PKK-Fahne geteilt. Versehen war das Bild mit dem Slogan „Weg mit dem PKK-Verbot“ und dem Zusatz „Forbidden in Germany“. Die Staatsanwaltschaft hatte im April 2019 Anklage wegen § 20 Vereinsgesetz (Teilen von verbotenen Symbolen) erhoben. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei hatte zuvor Rechtsmittel gegen einen Strafbefehl eingelegt.
Viele Unterstützerinnen und Unterstützer aus der kurdischen Community, aus der Linken, der Familie und dem Freundeskreis waren ins Amtsgericht Altona gekommen, um Cansu Özdemir zu unterstützen. Unter anderem waren der gesamte Fraktionsvorstand und Leyla Imret, die Ko-Vorsitzende der HDP-Deutschland, zur Prozessbeobachtung erschienen. Der Saal mit 30 Plätzen reichte bei weitem nicht für alle Prozessbesucher*innen aus, was zu einigem Unmut und lautstarkem Protest führte.
Cansu Özdemir erklärte vor Gericht, dass sie aus ihrer Sicht keine Straftat begangen habe. In einer langen Erklärung begründete sie, warum sie das Verbot der PKK und ihrer Symbole für einen Fehler halte, und wies auf die aktuellen Verbrechen der türkischen Armee bei der Invasion in Rojava/Nordostsyrien hin. „Die Weltgemeinschaft verrät nicht nur die Kurden, sondern auch sich selbst“, erklärte sie.
Im Anschluss an die Verlesung der Anklageschrift teilte ihr Rechtsanwalt Alexander Kienzle mit, dass die Veröffentlichung des Bildes der PKK-Fahne im Kontext einer Kampagne gegen das PKK-Verbot zum Jahrestag desselben bewertet werden müsse. Das Bild sei schon zuvor von der dpa veröffentlicht worden und im Kontext der politischen Forderung, hinter dem ja auch die Partei DIE LINKE stehe, zu sehen. Daher fehle der Strafbestand der „Werbung“. Er erhob Einspruch gegen den Strafbefehl.
Verbale Entgleisungen des Staatsanwalts
Die Richterin nahm auf Antrag der Verteidigung erneut den Twitter-Account in Augenschein. Nach einer Pause wurden die Plädoyers gehalten. Oberstaatsanwalt Michael Elsner konnte nicht umhin zuzugeben, dass es durchaus das Recht der Angeklagten sei, die politische Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes zu stellen. Er unterstellte Cansu Özdemir jedoch „Eitelkeit und Geltungssucht“, was zu sehr wütenden Reaktionen im Publikum führte. Es gab Zwischenrufe, die ihm wiederum Polemik vorwarfen. Elsner bezeichnete die Angeklagte als „vollkommen uneinsichtig“ und forderte eine noch höhere Geldstrafe als zuvor, nämlich 40 Tagessätze à 100 Euro. Man habe eine Geldbuße im niederen Bereich angeboten, die sie ja nicht angenommen hätte.
Im Abschlussplädoyer wies Rechsanwalt Alexander Kienzle die persönlichen Beleidigungen der Staatsanwaltschaft gegenüber Cansu Özdemir als vollkommen unwürdige „verbale Entgleisung“ zurück. Die Veröffentlichungen auf dem Twitter-Account von Cansu Özdemir seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt, da sie im Kontext der Forderung nach Aufhebung des PKK Verbotes gestanden hätten. Er forderte Freispruch. Auch gebe es keine logische Begründung für die Erhöhung der Tagessätze von 30 auf 40.
„Sehr legitimes Ziel“
Die Richterin war offensichtlich in einem schweren Zwiespalt, als sie das Urteil verlas. Sie erklärte, es sei für sie eine „schwere Entscheidung“, da nicht sie selbst, sondern die Legislative über das PKK-Verbot zu entscheiden habe. Verbotene Symbole zu zeigen, sei in bestimmten Zusammenhängen, so zum Beispiel in wissenschaftlichen Arbeiten, Schulbüchern etc. zur „staatsbürgerschaftlichen Aufklärung“ erlaubt, nicht aber im „politischen Tageskampf“, worum es sich ihrer Meinung nach handele.
Sie verwarnte daher Cansu Özdemir. Sie könne „vieles gut nachvollziehen“ von dem, was diese vorgetragen habe. Sie habe als politische Person gehandelt. Eine Zahlung von 30 Tagessätzen in Höhe von 150 Euro wurde auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt. Würde Cansu Özdemir jedoch wieder PKK-Fahnen posten, müsse sie die volle Strafe zahlen. Eine weitere Auflage sei eine Zahlung von 1000 Euro an eine gemeinnützige Institution. Cansu Özdemir müsse andere Wege finden, um für „ihr sehr legitimes Ziel zu kämpfen“.
Offensichtlich hatte die Richterin nicht den Mut, sich gegen das unsinnige Verbot der Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung zu stellen, war jedoch von der politischen Bewertung, die Cansu Özdemir abgegeben hatte, nicht unbeeindruckt. Faktisch bedeutet die Drohung einer Zahlung von 4800 Euro jedoch einen politischen Maulkorb.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagte können Rechtsmittel dagegen einlegen.
„Den Widerstand in Rojava mit aller Kraft unterstützen“
Zu Beginn der Gerichtsverhandlung gab Cansu Özdemir folgende Prozesserklärung ab:
„Ich stehe heute vor Gericht, weil ich in den Sozialen Medien ein Bild der Fahne der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei PKK geteilt habe. Schon 2015 ermittelte die Staatsanwaltschaft aus selbigem Verdacht (Verstoß gegen das Vereinsverbot) gegen mich – mitten im Bürgerschaftswahlkampf. Scheinbar damals mit der Absicht, mir im Wahlkampf zu schaden. Ich habe damals nicht die Herstellung meiner Immunität als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft beantragt und habe es auch in diesem aktuellen Fall nicht getan. Denn damit würde ich akzeptieren, eine Straftat begangen zu haben. Dies habe ich aus meiner Sicht nicht. Das Teilen des Bildes der PKK-Fahne und damit verbunden die Forderung der Aufhebung des PKK-Verbots ist aus meiner Sicht keine Straftat.
Ich möchte Ihnen politisch und juristisch darstellen, warum ich dieser Auffassung bin.
Das PKK-Verbot ist aus meiner und aus der Sicht tausender anderer Menschen in Deutschland falsch, heuchlerisch und ein Instrument der Repression gegenüber den politisch aktiven Kurd*innen und ihren Genoss*innen in Deutschland.
1993 nutzte die Kohl-Regierung innenpolitisch die einwandererfeindliche Stimmung und machte gleichzeitig dem NATO-Partner Türkei ein Geschenk, in dem sie die PKK verbot. Ich spreche von den 90er Jahren, in denen das türkische Militär mit deutschen Leopard-Panzern 4.000 kurdische Dörfer zerstörte. Ich spreche von den 90er Jahren, in denen Tausende Kurd*innen verfolgt, massakriert, gefoltert und vertrieben wurden. Der Verkauf der Leopard-Panzer in die Türkei begann schon gleich nach dem Militärputsch von 1980. Zu einer Zeit, in der Tausende Kurd*innen und andere Oppositionelle in Militärgefängnissen schwerster Folter ausgesetzt waren. Das türkische Militär wandte unvorstellbare grausame Foltermethoden an.
Menschen wurden in Säureschächte geworfen, in Massengräbern verscharrt, Frauen waren sexualisierter Gewalt ausgesetzt, sie mussten mit ansehen, wie ihre Kinder vom türkischen Militär hingerichtet wurden oder mitgenommen wurden und nie wieder auftauchten.
Genau diese Mütter suchen noch heute, Jahrzehnte später, nach den verschwundenen Knochen ihrer Kinder.
Seit Gründung der türkischen Republik werden die Kurd*innen systematisch verfolgt – immer mit dem Ziel der Assimilierung und Vernichtung.
Die Politik des türkischen Staates orientiert sich bis zum heutigen Zeitpunkt an der faschistischen Denkweise: „Ein guter Kurde ist ein toter Kurde“. Bis heute ist das Ziel der türkischen Regierung die ethnische Säuberung des kurdischen Volkes wie aktuell in Nordostsyrien, bekannt als Rojava.
Den Kurd*innen blieb nur der Weg des Widerstandes, um weiter existieren zu können. Es blieb nur der Weg des Widerstandes, um die ethnische Säuberung zu stoppen. Hätten die Kurd*innen keinen Widerstand geleistet, dann würden sie vielleicht heute nicht mehr existieren. Die existenzielle Bedrohung hat nie aufgehört und ist auch heute wieder aktuell.
Die Rolle der Weltgemeinschaft in diesem Konflikt war nie eine besonders rühmliche. Bei all den schweren Menschenrechtsverletzungen schwiegen die Staaten, um die Türkei nicht zu verärgern und ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen nicht zu gefährden. Als die kurdischen Städte in der Türkei Cizre, Nusaybin und Sur vom türkischen Militär belagert, bombardiert und Massaker an den Bewohner*innen verübt wurden, schwieg die Weltgemeinschaft, genauso, als Erdogan in einem völkerrechtswidrigen Krieg Afrîn, eine kurdische Stadt im Nord-Osten Syriens mit seinen islamistischen Milizen besetzte und grausame Kriegsverbrechen beging. Ich möchte daran erinnern, dass bei diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wieder deutsche Leopard-Panzer eingesetzt wurden genau wie heute bei dem erneuten völkerrechtswidrigen Einsatz gegen Rojava.
Trotz all dieser Verbrechen hat die Bundesregierung nicht Abstand genommen von ihrer militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung des türkischen Staates. Weiterhin unterstützt die Bundesregierung ihren NATO-Partner Türkei politisch, indem sie am Verbot der PKK festhält. Durch die Erweiterung des Betätigungsverbots der PKK im Jahr 2017 werden die in Deutschland lebenden Kurd*innen und die sich mit dem kurdischen Widerstand im Mittleren und Nahen Osten solidarisch zeigenden Menschen noch stärker stigmatisiert und kriminalisiert. Die Erweiterung des Betätigungsverbots der PKK umfasst auch die Fahnen der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und Frauenverteidigungseinheiten (YPJ). Einst feierte die Bundesregierung und Weltgemeinschaft den Kampf der PKK, der YPG und YPJ gegen die klerikalfaschistische Organisation Islamischer Staat. Während Nato-Partner Erdogan den Islamischen Staat weiter finanzierte und unterstützte, setzten sich die Kurd*innen wie keine andere Macht diesen Massenmördern entgegen. 11.000 Menschen, mehrheitlich Kurd*innen, opferten ihr Leben, um die Islamisten zu besiegen.
Der Kampf gegen den Islamischen Staat war kein lokaler, er war und ist eine globale Angelegenheit. Und es war die PKK, die die verfolgte Religionsgemeinschaft der Ezid*innen vor einem größeren Genozid bewahrte. Sie stellte sich als einzige Kraft mit Kalaschnikows dem schwer bewaffneten Islamischen Staat in Shengal in den Weg, während die Staaten ihre „Wir sind sehr besorgt“ Botschaften über Twitter mitteilten. Wenig später begann die Schlacht um Kobanê. Ich hielt mich währenddessen an der Grenze zu Kobanê auf und konnte mit vielen anderen Menschen beobachten, wie das türkische Militär die türkisch-syrische Grenze überquerte, um den Islamischen Staat mit Munition und Waffen zu versorgen.
Zu dieser Zeit gab es auch innerhalb der damaligen Bundesregierung eine rege und ernsthafte Debatte darüber, ob man nicht über die Aufhebung des PKK-Verbotes sprechen sollte. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Deutschen Bundestag erwägte sogar, die PKK im Kampf gegen den Islamischen Staat zu unterstützen.
Auf Druck der Türkei entschied sich die Bundesregierung das Verbot aufrechtzuhalten und zu erweitern. Dieser Schritt hat auch gezeigt, ethische Werte spielen für die Bundesregierung in ihrer Außenpolitik keine Rolle. Die Bundesregierung hofiert einen Diktator und kriminalisiert kurdische Aktivist*innen. Ich erinnere an die Schließung des Mîr Mezopotamya Verlags. Beschlagnahmt wurden Bücher, CDs und Dokumente in kurdischer Sprache. Sogar das Newroz-Fest, das wichtigste Fest der Völker im Nahen und Mittleren Osten sollte laut Bundesinnenministerium nicht stattfinden.
Das Vorgehen erinnert stark an das Vorgehen der türkischen Regierung gegen die kurdische Sprache und Kultur. Eine Schande!
Die kurdische Bewegung im Nahen Osten stellt in meinen Augen eine demokratische Perspektive dar, aktuell in Rojava (Nord-Ostsyrien), die die Ideen und Ansätze des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali (Türkei) inhaftierten und sich in Totalisolation befindenden PKK-Repräsentanten Abdullah Öcalan umsetzen. Frauen und Männer sind in allen gesellschaftlichen Bereichen und Ebenen gleichberechtigt. Alle ethnischen und religiösen Gruppen ebenso. Das Zusammenleben wird jenseits kultureller, ethnischer und religiöser Grenzen friedlich und demokratisch gestaltet.
Die Bundesregierung sollte eigentlich diese fortschrittlichen Kräfte unterstützen. Das tut sie aber nicht – im Gegenteil. Bevorzugt wird die Unterstützung des diktatorischen Regimes unter Erdogan. Dies belegt auch die heuchlerische Politik der Bundesregierung in der aktuellen Situation.
Am 9. Oktober 2019 begann Erdogan erneut einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Rojava. Dieser Krieg richtet sich gegen die Zivilbevölkerung mit dem Ziel einer ethnischen Säuberung. In türkischen Fernsehsendungen werden die getöteten Zivilist*innen mit Euphorie gefeiert. Hunderttausende Menschen mussten erneut fliehen, hunderte wurden getötet.
Es werden immer mehr Kriegsrechtsverletzungen festgestellt. Ich möchte hier einige nennen:
Beobachter*innen vor Ort berichteten, dass verbotene chemische Kampfstoffe eingesetzt wurden. Wohlmöglich handelt es sich um weißen Phosphor. Die Leichen getöteter Menschen werden geschändet. Frauen und Mädchen werden wieder von den Terroristen des IS entführt. Die kurdische Politikerin Havrin Khalaf wurde gefoltert, regelrecht hingerichtet, ihr Körper von Kugeln durchsiebt. Krankenhäuser und zivile Konvois wurden bombardiert. Die Waffenruhe sollte den Zivilist*innen Schutz und Ruhe verschaffen, doch die Türkei bombardiert und tötete weiter. In der Zwischenzeit wurden geopolitische Kolonialspiele gespielt. Im Vordergrund stand für Weltgemeinschaft nicht, ob in dieser Region Frieden und Stabilität herrschen wird, sondern wie der Kuchen aufgeteilt wird und wer am stärksten profitiert. So auch der aktuelle Deal zwischen Russland und der Türkei. Immer wieder wird gesagt, die Kurd*innen werden verraten. Diejenigen, die den höchsten Preis im Kampf gegen den IS bezahlt haben. Aber nein, nicht die Kurd*innen werden verraten, die Weltgemeinschaft verrät sich selbst, Europa verrät sich selbst und Deutschland verrät sich selbst.
Die Bundesregierung liefert weiterhin Kriegswaffen, mit denen diese mühsam aufgebauten Strukturen in Rojava zum jetzigen Zeitpunkt angegriffen werden und Zivilist*innen vertrieben und getötet werden. Ja, die Bundesregierung möchte keine neuen Waffendeals mehr unterzeichnen, damit rühmt sie sich. Aber Waffendeals, die zu einem früheren Zeitpunkt unterzeichnet wurden, laufen weiter. Außerdem setzte sich die Bundesregierung aktiv GEGEN ein Waffenembargo auf EU-Ebene ein. Die Bundesregierung hält weiterhin an einer geheimdienstlichen und militärischen Zusammenarbeit mit der Türkei fest.
Die Bundesregierung lässt Erdogan seine gefährlichen Terrornetzwerke in Deutschland ausbauen und gewährt weiterhin den Agenten des MIT die Freiheit, Mordpläne gegen Oppositionelle zu schmieden und sie zu verfolgen – ohne dafür Konsequenzen zu befürchten. Die Bundesregierung weiß, dass die türkische Regierung gemeinsam mit islamistischen Gruppen schwere Kriegsverbrechen an Zivilist*innen in Rojava begeht. Die Bundesregierung weiß, dass die türkische Regierung den Islamischen Staat und andere islamistische Terrororganisationen weiterhin unterstützt und aufbaut.
Die Bundesregierung unterstützt Erdogan trotz allem wissentlich, einen islamistischen Diktator, der nicht nur Journalist*innen, Abgeordnete, Bürgermeister*innen und andere Kritiker*innen verhaftet, verfolgt und sogar mit dem Tod bedroht. Erdogan hat unzählige Menschenleben auf dem Gewissen und lässt weiter Menschen brutal ermorden. Wer einen solchen Diktator unterstützt, stärkt ihn und seine islamistischen Terrorpartner. Wer einen solchen Diktator unterstützt, betreibt eine heuchlerische Politik, die vielen Menschen das Leben kostet. Wer sich als Regierung auf die Seite eines solchen Diktators stellt, stellt sich gegen Demokratie, Frieden und den Freiheitskampf und die Emanzipation der Frauen im Nahen und Mittleren Osten und schwächt den Kampf gegen islamistische Gruppen. Wer einen solchen Diktator unterstützt, trägt dazu bei, dass Menschen wieder ihre Heimatländer verlassen müssen und flüchten müssen.
Der Widerstand der kurdischen Bewegung im Nahen Osten, vor allem der kurdischen Frauen gegen den Diktator Erdogan und seine islamistischen Terrorpartner ist ein berechtigter Widerstand. Seit dem 9. Oktober 2019 leisten die Bevölkerung und die Kräfte der YPG und YPJ in Rojava einen enormen Widerstand gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Die Bevölkerung läuft den türkischen Bomben entgegen und verteidigt ihre Errungenschaften. All jene Menschen in Deutschland, die sich mit diesem berechtigten Widerstand solidarisieren, die Fahnen der YPG/YPJ und der PKK zeigen, werden kriminalisiert. Die Politik der Bundesregierung in Bezug auf die Türkei ist heuchlerisch und feige. Mir ist als Politikerin klar, dass Außenpolitik immer interessengeleitet ist. Aber wenn Moral und Werte keine Rolle mehr spielen, wie aktuell bei der Bundesregierung, dann ist das eine Bankrotterklärung und eine Schande für die deutsche Außenpolitik. Innenpolitisch betrachtet ist es eine heftige Einschränkung von Grundrechten hier lebender Menschen.
Seit längerem werden deutsche Abgeordnete mit türkischem und kurdischem Hintergrund bedroht und verfolgt durch die gefährlichen Netzwerke Erdogans in Deutschland, wenn sie es wagen sich kritisch zu äußern. Ich gehöre zu diesen Abgeordneten. Zweimal habe ich die Hamburger Sicherheitsbehörden über türkische Agenten des MIT informiert. Einer wurde verurteilt, befindet sich jedoch wieder auf freiem Fuß. Ein Verfahren gegen den anderen mutmaßlichen Agenten hat es nicht einmal gegeben. Diese Agenten suchen uns, die Opposition gezielt auf um uns einzuschüchtern. Die Drohungen, darunter Mord- und Vergewaltigungsdrohungen seitens Anhängern der AKP haben sich in den letzten Jahren vermehrt. Es sind Versuche, Kritiker*innen in Deutschland mundtot zu machen und einzuschüchtern. Mordpläne gegen Oppositionelle wurden glücklicherweise aufgedeckt – jedoch nicht von den Sicherheitsbehörden. Einige der Oppositionellen müssen rund um die Uhr von der Polizei begleitet werden, weil akute Anschlagsgefahr besteht. All diese Vorfälle, diese Bedrohungen von Leib und Leben haben mich und andere Oppositionelle nicht zum Schweigen gebracht, nicht eingeschüchtert, nicht verängstigt.
Warum sollte ich nun in Bezug auf das PKK-Verbot meine Meinung ändern? Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie sehen an meinen Ausführungen, dass die Diskussion um das PKK-Verbot eine kritische Diskussion ist, in der es verschiedene Positionen gibt, in der ich eine von vielen Menschen vertretene Position, nämlich die Forderung nach der Aufhebung des PKK-Verbotes auf Twitter visuell dargestellt habe.
Am 14. September 2017 hat das Brüsseller Berufungsgericht in seiner Entscheidung festgestellt, dass die PKK keine Terrororganisation ist, sondern Kriegspartei. Dieses Urteil ist das erste Urteil seiner Art in der Europäischen Union, dass den türkisch-kurdischen Konflikt als Bürgerkrieg qualifiziert und nicht als terroristische Angelegenheit. Das Berufungsgericht entschied, dass es in der Türkei einen bewaffneten Konflikt gibt und dass die PKK Konfliktpartei in diesem innertürkischen bewaffneten Konfliktist. Die Entscheidung hält fest, dass die PKK keine Bürger*innen terrorisiert, sondern für die Rechte der Kurden kämpft.
Meine Partei und ich als Parlamentarierin haben folgende vier Aufgaben mit gesetzlicher Grundlage zu erfüllen:
1. Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit;
2. Parteien dienen als Mittler zwischen Staat und Volk;
3. Parteien beeinflussen die Regierungsbildung;
4. Parteien bringen politische Zielvorstellungen ein.
Unsere Aufgabe ist es, Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung und das Mitwirken an der politischen Willensbildung des Volkes.
Anhand verschiedener parlamentarischer und auch außerparlamentarischer Initiativen meiner Partei können Sie feststellen, dass wir unsere Forderung nach der Aufhebung des PKK-Verbotes immer wieder auf die Tagesordnung tragen. Um ein Beispiel zu nennen: Am 18.12.2014 brachte die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag einen Antrag ein mit der Forderung „Aufhebung des Betätigungsverbots für die Arbeiterpartei Kurdistans PKK“ und deren Streichung von der „EU-Terrorliste“. Als Parlamentarierin und Mitglied einer Partei, die sich für die Aufhebung des PKK-Verbotes einsetzt, habe ich meiner Forderung mit einem Bild, dessen Quelle die Deutsche Presseagentur (DPA) ist, Nachdruck verliehen. Es handelt sich bei dem von mir geteilten Bild um eine Darstellung, die abermals geteilt wurde und in Diskussionsbeiträgen oder Kolumnen zu sehen ist.
Sehr geehrte Pressevertreter*innen,
heute stehe ich als Parlamentarierin aufgrund dieser Meinungsäußerung und Visualisierung vor Gericht. Wer sagt denn, dass unter diesen Umständen morgen nicht Sie hier stehen werden, weil es eben ihr Job ist, Meinungen wiederzugeben, am Meinungsbildungsprozess mitzuwirken und diese auch zu visualisieren. Was ist wenn Sie morgen eine Kolumne veröffentlichen mit genau diesem Bild der dpa und ihrer Forderung „Weg mit dem Verbot der PKK“?
Zum Schluss möchte ich deutlich machen:
Ich bedaure meinen Post auf Twitter nicht und schon gar nicht meine Forderung „Weg mit dem Verbot der PKK“. Aufgrund eines Verfahrens werde ich nicht meine Meinung dazu ändern und schon gar nicht ab sofort dazu schweigen. Im Gegenteil, ich werde weiterhin als Parlamentarierin die heuchlerische Politik der Bundesregierung und die mörderische Politik der türkischen Regierung kritisieren und thematisieren. Den Widerstand in Rojava werde ich weiterhin mit aller Kraft unterstützen. Zu den Demonstrationen und Aktionen rufe ich auf und hoffe auf eine breite Unterstützung der hiesigen Gesellschaft für die Widerstand leistenden Menschen in Rojava!“