Der Hohe Wahlausschuss (YSK) in der Türkei gab letzte Woche bekannt, dass sieben Millionen Erstwähler:innen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai stimmberechtigt sind. Insgesamt gibt es 64.191.285 Wahlberechtigte. Rohat Gövercin ist Ko-Sprecher des Jugendrats der HDP (Demokratische Partei der Völker) und Mitglied des Parteivorstands und hat sich gegenüber ANF zu seinen Forderungen und Erwartungen geäußert.
Der ehemalige MHP-Politiker Sinan Oğan, einer der rassistischen Präsidentschaftskandidaten, sagte in einem Fernsehsender, dass ein Drittel der sieben Millionen jungen Menschen, die zum ersten Mal wählen werden, HDP-Anhänger:innen sind und für die Partei der Grünen Linken (YSP) stimmen werden. Die HDP tritt aufgrund des gegen sie laufenden Verbotsverfahrens nicht zu den Wahlen an.
Rohat Gövercin erklärt dazu: „Bekanntlich können sieben Millionen Menschen zum ersten Mal wählen. Wenn wir uns jedoch die Newroz-Feiern anschauen, die wir als Referendum für das kurdische Volk und seine Freundinnen und Freunde bezeichnen können, dann wird nicht nur jeder Dritte für die YSP stimmen, es werden viel mehr sein. Newroz wurde mit Begeisterung gefeiert und ein überwältigend großer Anteil der Teilnehmenden waren junge Menschen.
Die patriotische kurdische Jugend und die Jugend der Türkei werden bei den Wahlen am 14. Mai eine entscheidende Rolle spielen, so wie sie auch Newroz 2023 zu einer Jugendveranstaltung gemacht haben. Der Hauptgrund, warum faschistische Gruppen dieses Potenzial als gefährlich einstuften, war die klare Formulierung von Forderungen an Newroz. Die Jugend hat ihren Willen bekundet, und die Jugend wird ihre Zukunft gestalten. Wir halten es für ganz normal, dass sie Angst davor haben, und wir möchten noch einmal betonen, dass das unvermeidliche Ende auch für sie kommen wird."
„Wir fordern Gleichheit und Freiheit für alle Bevölkerungsgruppen“
Gövercin erinnert daran, dass die Jugend seit Anbeginn der Geschichte die treibende Kraft des Lebens ist und heute ein gleiches und freies Leben für alle Völker der Türkei fordert. Mit dem 2014 vom türkischen Staat beschlossenen Vernichtungsplan gegen die kurdische Freiheitsbewegung sei insbesondere die Jugend unter großen Druck geraten: „Die Jugend soll durch eine spezielle Kriegspolitik geschwächt werden. Man muss jedoch die Realität der HDP richtig verstehen. Die HDP konnte in den letzten Jahren trotz tausender Festnahme und Verhaftungen in den letzten acht oder neun Jahren nicht liquidiert werden, sie leistet weiter Widerstand. Das ist der Hauptgrund, warum der AKP/MHP-Faschismus so stark zurückgegangen ist.
Wir führen die Tatsache, dass in der Türkei mehr von Rechten und insbesondere für die Jugend gesprochen wird, auf den Preis zurück, den die kurdische Freiheitsbewegung bezahlt hat. Wenn wir fragen, was die Jugend will, sollten wir auch fragen, wie sie in der Geschichte partizipiert hat. Es gibt eine Jugend, die an den Fronten der Weltkriege teilgenommen hat, eine Jugend, die als Sklaven beim Bau der ägyptischen Pyramiden eingesetzt wurde; aber es gibt auch eine Jugend, von der man nichts hört und die man nicht in eine eigene Klammer stellt. Wir sind der Meinung, dass sich die Politik der derzeitigen Regierung gegenüber der Jugend nicht davon unterscheidet. Da die Identität der Jugend ein gesellschaftliches Phänomen ist, gelten unsere Forderungen nicht nur der Jugend, sondern der gesamten Gesellschaft. Wir, die Jugend, die im Laufe der Geschichte die Subjekte des Lebens war und die Ereignisse geprägt hat, wollen ein gleichberechtigtes, freies Leben für die Völker der Türkei, und wir werden es aufbauen."
Kriegspolitik im Zentrum des Problems
Rohat Gövercin betont, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der Vernichtungskrieg gegen die Kurd:innen ausschlaggebend für die Angst der Jugend vor der Zukunft ist. „Wenn wir die Arbeiterjugend und die Studierenden gesondert betrachten, können wir klar sagen, dass wir für beide Gruppen in der derzeitigen Regierung keine Zukunft sehen“, meint der HDP-Jugendsprecher und verweist auf die Ursachen der Wirtschaftskrise in der Türkei: „Die Tatsache, dass für die werktätige Jugend keine Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden und dass junge Menschen, die die Schule oder ihr Studium abschließen werden, keine Zukunft und keinen Wohlstand in ihren eigenen Arbeitsbereichen sehen, beruht in Wirklichkeit auf einem sehr tief verwurzelten Problem.
Wir stellen die Kriegspolitik zur Vernichtung des kurdischen Volkes in den Mittelpunkt unserer Zukunftsangst. Wir führen das fehlende Vertrauen in das Land auf die Milliarden von Dollar zurück, die für Bomben und Kugeln ausgegeben wurden. Wir werden uns der Kriegspolitik widersetzen und gemeinsam mit der Gesellschaft für Wohlstand sorgen."
„Wir müssen die Regierung stürzen“
Abschließend appelliert Rohat Gövercin an die Jugend: „Unser Wahlaufruf an die Jugend ist eigentlich sehr klar. Wir alle haben eine angestaute Wut und fordern Veränderung. Es gibt eine Realität eines freien Landes, nach der wir uns alle sehnen. Um diese zu erreichen, müssen wir uns um die Partei der Grünen Linken scharen, notfalls 24 Stunden am Tag arbeiten, vor allem als junge Menschen, und die faschistische AKP/MHP-Regierung stürzen."