Türkische Faschisten organisieren sich in Europa ermutigt vom Erdogan-Regime unter Namen wie „Ülkücü“, „Bozkurt“ oder „Graue Wölfe“ und stellen eine zunehmende Bedrohung für die innere Sicherheit dar. Die Ülkücü sind eine paramilitärische Gruppe der AKP/MHP-Regierung und begehen Hassverbrechen an Kurden, Armeniern, Juden und anderen Minderheiten und Glaubensgemeinschaften in der Türkei. Sie sind nachweislich in zahlreiche gewalttätige Vorfälle verwickelt.
Dass türkische Faschisten im Auftrag der Erdogan-Regierung und des türkischen Geheimdienstes MIT auch in Europa agieren, ist mehrfach dokumentiert worden. Beispielsweise haben österreichische Sicherheitsbehörden öffentlich gemacht, dass der Angriff von Gruppen, die sich als „Ülkücü“ oder Erdogan-Anhänger bezeichnen, auf eine Kundgebung von Frauenorganisationen in Wien im vergangenen Juni vom türkischen Geheimdienst organisiert war.
In Frankreich sind diese Gruppen nach den Lynchangriffen auf Armenier in Dijon vom 29. Oktober 2020 verboten worden. Nach diesen Entwicklungen in Österreich und Frankreich haben SPD, CDU/CSU, FDP und Grüne mit einem interfraktionellen Antrag die Bundesregierung aufgefordert, den Einfluss der „Ülkücü”-Bewegung zurückzudrängen und Organisationsverbote gegen die Vereine dieser Bewegung zu prüfen. Dieser Antrag wurde am 18. November 2020 im Bundestag angenommen.
Nach diesem Beschluss war das Bundesinnenministerium am Zuge. Obwohl fast ein halbes Jahr vergangen ist, hat das von Horst Seehofer geführte Ministerium bisher keine Anstrengungen unternommen, die Tätigkeiten der „Ülkücü“-Gruppen zu verhindern und zu verbieten oder den Einfluss des türkischen Rassismus in Deutschland zu brechen. Die Bundesregierung hat kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage bestätigt, dass rechtsextremistische türkische Gruppierungen die Öffentlichkeit und die Politik in Deutschland zu beeinflussen versuchen. Dennoch hüllt sich das Bundesinnenministerium in Schweigen. Geht es jedoch um die kurdische Bewegung, ist das Ministerium auffällig aktiv.
In Deutschland leben über eine Million Kurdinnen und Kurden. Sie werden seit Jahren kriminalisiert, ihre friedlichen Proteste werden gewalttätig von der Polizei angegriffen. Sogar die Fahnen von YPG und YPJ, die weltweit für ihren Kampf gegen den IS Anerkennung finden, werden immer wieder aufgrund der Anweisungen aus dem Innenministerium als Straftatbestand eingestuft. Gegen die Verbote der Fahnen und des Konterfeis von Abdullah Öcalan sind kurdische und nichtkurdische Menschen wiederholt erfolgreich juristisch vorgegangen.
Deutsches Beharren auf antikurdischer Kriminalisierungspolitik
Trotz dieser Gerichtsurteile beharrt das Bundesinnenministerium auf der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung und beruft sich dabei auf das am 26. November 1993 erlassene PKK-Verbot. Auf Beschluss des Ministeriums werden alle politischen Aktivitäten von Kurdinnen und Kurden für die Freiheit ihres Landes und ihres Volkes im Rahmen eines von einer Clique innerhalb des Staates geführten Konzeptes als Straftat gewertet. Seit 2015 hat sich die Anzahl der eingeleiteten politischen Ermittlungsverfahren gegen Kurdinnen und Kurden jährlich erhöht. Auch im „Pandemiejahr“ 2020 ist die Kriminalisierung fortgesetzt worden.
Laut ANF-Recherchen sind 2020 knapp hundert Ermittlungsverfahren gegen Kurdinnen und Kurden eingeleitet worden. 2015 waren es 22, 2016 55, 2017 151, 2018 288 und 2019 203. Für Rechtsanwalt Lukas Theune vom Vorstand des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) steht hinter der vielfältige Verfolgung einschließlich der Ablehnung von Einbürgerungsanträge und aufenthaltsrechtlichen Sanktionen vor allem der Wunsch Erdogans. „Die MHP, der politische Arm der Grauen Wölfe, ist an Erdogans Regime beteiligt. Es liegt nahe, dass Deutschland darauf Rücksicht nimmt und daher nichts unternimmt, was den deutsch-türkischen Beziehungen schaden könnte. Der Grund für die vielfältige Verfolgung der kurdischen Minderheit ist vor allem der Wunsch Erdogans. Für diesen tritt Deutschland ein. Zum anderen hat Deutschland aber auch ein eigenes Interesse daran, progressive Bewegungen zu verfolgen und zu verhindern, dass Menschen sich gegen Diskriminierung zusammenschließen und organisieren“, erklärte Theune auf Anfrage gegenüber ANF.
Der ehemalige Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg, ist der Meinung, dass türkische rassistische Organisationen in Deutschland verboten werden müssen. Der Bundestag sollte über einen Prüfauftrag hinausgehen und konkrete Forderungen erheben, erklärte der sozialdemokratische Politiker gegenüber ANF. Hinsichtlich der Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden fordert Schmalstieg, dass der Bundesinnenminister seine Haltung überprüfen und ändern sollte.