Findet die Willkür gegenüber Kurden in Deutschland ein Ende?

Die Versammlungsfreiheit der Kurdinnen und Kurden in Deutschland scheint weiterhin ein Faustpfand in politischen Verhandlungen mit der Türkei zu bleiben, so Rechtsanwalt Lukas Theune. Das grundsätzliche Problem ist das PKK-Verbot.

Kurdische Aktivist*innen, Vereine und solidarische Kreise sind in den vergangenen zwei Jahren einer starken Repressionswelle in Deutschland ausgesetzt. Zentral war hierbei der Versuch, den Bewegungsraum von NAV-DEM einzugrenzen, des größten kurdischen Dachverbands in Deutschland.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 6. Februar 2019 festgestellt, dass das Verbot einer geplanten kurdischen Versammlung zum Thema „Stoppt den Krieg in Afrin“ rechtswidrig war. Der kurdische Dachverband sei nicht mit der PKK gleichzusetzen und die Düsseldorfer Polizei habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet, so das Gericht.

Wir haben mit Rechtsanwalt Lukas Theune darüber gesprochen, wie er das Urteil einschätzt und was es für die Zukunft bedeutet.

Wie schätzen Sie dieses Urteil im Kontext der verschärften Repression gegen Kurdinnen und Kurden im vergangenen Jahr in Deutschland ein?

Wie Urteile anderer Gerichte, etwa zu Newroz im letzten Jahr, zeigt auch dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf erneut, wie häufig gegen Kurdinnen und Kurden von Seiten der Polizei rechtswidrig vorgegangen wird. Seien es nun Verbote wie hier in Düsseldorf oder letztes Jahr in Hannover, Auflösungen großer Demos wie in Köln im Januar 2018 oder wiederholte Razzien bei kurdischen Vereinen und zuletzt nun auch noch das Verbot des Mezopotamien-Verlags. Es zeigte sich auch hier in der Verhandlung, dass die Düsseldorfer Polizei selbst unter großem Druck aus der Politik steht, möglichst repressiv gegen Kurdinnen und Kurden vorzugehen. Erfreulicherweise machen die Verwaltungsgerichte bei diesem Spiel in letzter Zeit häufiger nicht mit, sondern betonen, dass Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit auch für ethnische Minderheiten gelten. Es bleibt nun zu hoffen, dass sich auch das Bundesverwaltungsgericht an die Universalität der Grundrechte und der Bedeutung der Kultur von Minderheiten erinnert, wenn es über das Verbot des Mezopotamien-Verlags und damit der Zerstörung des kurdischen Kulturerbes befinden muss.

Handelt es sich mit diesem Urteil nun um einen Präzedenzfall, wenn wir uns vor Augen führen, dass mit derselben Argumentation sowohl zentral als auch lokal kurdische Aktionen kriminalisiert wurden und werden?

Absolut. Die Verbote letzten Jahres in Köln und Düsseldorf waren derart wortgleich begründet worden, dass relativ klar wurde, dass dieser Text direkt aus dem Innenministerium kommt. Mit dieser Begründung – NAV-DEM sei ein Teil der PKK – wird es nun nicht wieder so schnell zu Demoverboten kommen. Wir gehen davon aus, dass die Begründung des Urteils auch im Innenministerium genau zur Kenntnis genommen werden wird.

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im vergangenen Jahr mit willkürlichen Gründen für eine der größten Migrantengruppen in Deutschland ausgehöhlt. Können kurdische Aktivistinnen und Aktivisten nun darauf hoffen, dass mit diesem Gerichtsurteil die Willkür ein Ende hat?

Tatsächlich scheint die Versammlungsfreiheit der Kurdinnen und Kurden in Deutschland ein Faustpfand in politischen Verhandlungen mit der Türkei zu bleiben. Von daher ist auch in Zukunft zu erwarten, dass es polizeiliche Angriffe auf kurdische Versammlungen geben kann. Ähnliches gilt ja für die Verbote von Fahnen oder Parolen auf Demonstrationen. Das grundsätzliche Problem bleibt wohl das PKK-Verbot. Und bis dieses fällt, wird es weiter zu Grundrechtseinschränkungen kommen.