Bundesregierung ignoriert Situation der Gefangenen auf Imrali

In der Antwort auf eine mündliche Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut verweigert die Bundesregierung jegliches Engagement in Bezug auf die Isolation der Gefangenen auf der Gefängnisinsel Imrali und geht damit deutlich hinter die Merkel-Regierung zurück.

Seit März 2021 gibt es kein Lebenszeichen von der Gefängnisinsel Imrali, auf der der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan und drei weitere Mitgefangene vollkommen isoliert sind. Weltweit protestieren Kurd:innen und solidarische Aktivist:innen für die Aufhebung der Isolation und die Freiheit Öcalans. Die totale Isolationshaft verstößt gegen das Folterverbot. Ein solcher Verstoß müsste auf Ebene des Europarats, des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter (CPT) und von Seiten der europäischen Staaten zu Konsequenzen führen. Doch es geschieht kaum etwas. Immer wieder fragen Bundestagsabgeordnete auch in Deutschland nach der Position der Regierung zur Situation auf Imrali. Die Abgeordnete Gökay Akbulut (DIE LINKE) fragte die Bundesregierung nach ihren Kenntnissen zur Isolation Öcalans und inwieweit sich die Bundesregierung für einen Besuch des Antifolterkomitees auf Imrali einsetzen würde.

Bundesregierung: Kein Engagement beim CPT

In der Antwort heißt es: „Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Darüber hinaus vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass das unabhängige Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe darüber befinden muss, welche Haftfälle es zum Anlass für einen Haftbesuch nimmt.“

Akbulut: „Bundesregierung gibt Interessen Vorrang vor internationalen Menschenrechten“

Akbulut kommentiert: „Das Auswärtige Amt drückt sich vor einer Antwort. Durch den Regierungswechsel in Deutschland, vor allem von einer grünen Außenministerin, hatten sich viele Oppositionelle in der Türkei mehr Unterstützung erwartet. Diese Erwartung ist leider bislang unerfüllt geblieben. Ich habe den Eindruck, dass bei der Bundesregierung geopolitische Interessen Vorrang vor den internationalen Menschenrechten haben. Im Jahr 2019 hat das damalige SPD-geführte Auswärtige Amt eine ähnliche Frage weitaus differenzierter beantwortet. Es hatte auch seine Besorgnis bezüglich der Menschenrechte für Inhaftierte in der Türkei mitgeteilt.“

Antwort geht hinter Merkel-Regierung zurück

Die Antwort der Bundesregierung geht weit hinter Auskunft auf eine ähnliche Frage des Abgeordneten Michel Brandt (DIE LINKE) zurück und spricht für ein massives Zugehen Deutschlands auf das AKP/MHP-Regime. Noch 2019 hatte die Bundesregierung in Bezug auf einen CPT-Bericht geantwortet: „Die türkische Regierung wird darin dazu aufgerufen, Besuche von Verwandten und des Rechtsbeistandes zu ermöglichen und Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen. Die Bundesregierung begrüßt diese Forderungen.“ Hier zeigt sich deutlich, dass die aktuelle Bundesregierung vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs noch stärker an einem Appeasement mit dem türkischen Faschismus interessiert ist.

Aktuelle Bundesregierung ignoriert Zustände auf Imrali“

Akbulut kündigt an, selbst weiter vorzugehen: „Mit der Antwort jetzt gebe ich mich natürlich nicht zufrieden. Ich werde die deutsche Vertreterin beim CPT, Dr. Gunda Wössner, anschreiben. Die Isolation des auf Imrali inhaftierten Öcalan und seiner Mitgefangenen ist nicht hinnehmbar. Das Antifolter-Komitee hatte in seinem vergangenen Bericht die türkische Regierung dazu aufgerufen, Besuche von Verwandten und des Rechtsbeistandes zu ermöglichen. Außerdem forderten sie, Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen. Diese Forderungen hatte die vorherige Bundesregierung begrüßt, während die aktuelle Bundesregierung den Zustand der Inhaftierten auf Imrali ignoriert.“

CPT-Besuche blieben bisher folgenlos

Tatsächlich hat das CPT Imrali bei einem Ad-hoc-Besuch im September auch Imrali inspiziert. Es nimmt aber bisher keine Stellung zur Situation dort. Eine Fertigstellung des CPT-Berichts ist frühestens in sechs Monaten zu erwarten. Der Bericht wird dann auch nur unter Zustimmung der Türkei veröffentlicht. Das Anwaltsteam der Gefangenen auf Imrali erinnert an das Vorgehen des CPT beim letzten Besuch: „Das CPT veröffentlichte den Bericht über seinen letzten Besuch im Mai 2019 erst 15 Monate danach. Darin wurde festgestellt, dass ernsthafte Schritte unternommen werden sollten, insbesondere im Hinblick auf die Verbindung zur Außenwelt. Nach dem CPT-Besuch wurde jedoch die Isolationspolitik gegenüber unseren Mandanten auf der Insel Imrali fortgesetzt und die Isolation noch weiter verschärft, obwohl eine Verbesserung entsprechend der Empfehlungen in den Besuchsberichten hätte erreicht werden müssen.“

https://anfdeutsch.com/aktuelles/regierung-begruesst-forderung-nach-ende-der-abschottung-Oecalans-8987