Behördliches Vorgehen gegen Kurden in Baden-Württemberg

In den letzten Monaten sind mindestens zwanzig Mitglieder legaler kurdischer Vereine in Baden-Württemberg vorgeladen und verhört worden. In einigen Fällen gab es Spitzelanwerbeversuche und es wurde mit Aufenthaltsentzug gedroht.

In Baden-Württemberg werden Mitglieder legaler kurdischer Vereine in Zusammenarbeit von Ausländerbehörde, Landratsämtern, Verfassungsschutz und Polizei vorgeladen und verhört. In einigen Fällen gab es Spitzelanwerbeversuche und es wurde mit Aufenthaltsentzug gedroht.

Die Betroffenen werden beispielsweise gefragt, an wen sie sich gewendet haben, um in den Vereinsvorstand zu kommen, oder wer ihnen die Erlaubnis dazu gegeben hat. Andere Fragen lauten:

Warum sind Sie Mitglied in einem kurdischen Verein geworden, anstatt in einen anderen Verein einzutreten und sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren?

Sie sind erst seit kurzer Zeit in Deutschland, wie sind Sie sofort zum Vereinsvorsitzenden gewählt worden?

Warum werden in Ihrem Verein „Volksversammlungen“ und Gedenkveranstaltungen für verstorbene kurdische Kämpfer durchgeführt?

Warum sammeln Sie nur für den Kurdischen Roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê) Spenden?

Macht der Vereinsvorstand Frontarbeit für die PKK?

Warum nehmen Sie immer am Jahrestag der Verhaftung von Abdullah Öcalan an der Demonstration in Straßburg teil?

Das sind nur einige der Fragen, die den Kurdinnen und Kurden beim Verhör gestellt werden. Nach ANF vorliegenden Informationen sind in den letzten Monaten mindestens zwanzig Betroffene auf diese Weise vorgeladen und verhört worden. In einem Fall wurde rechtswidrig die Aufenthaltserlaubnis eines Vorstandsmitglieds eines kurdischen Vereins entzogen. Der Aktivist zog dagegen vor Gericht und bekam Recht.

Ein anderes Vorstandsmitglied erhielt eine Vorladung, nachdem er im vergangenen Jahr einen Anwerbeversuch des Verfassungsschutzes abgelehnt hat. Der Verfassungsschützer hatte eine Zusammenarbeit angeboten und Berichte über das Vorgehen in dem Verein angefordert. Der kurdische Aktivist hatte darauf geantwortet, dass er Kurdistan gar nicht erst hätte verlassen müssen, wenn er zu einer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst bereit gewesen wäre.

Aus einigen Gesprächsprotokollen geht hervor, dass sich die deutschen Behörden ähnlicher Methoden wie der türkische Staat bedienen, um Menschen aus Kurdistan zu einer Distanzierung von der kurdischen Befreiungsbewegung zu bringen. Die Verhöre beginnen demnach mit einfachen und allgemeinen Fragen. Wenn die Betroffenen Sympathie mit dem Befreiungskampf äußern, ändert sich die Haltung der Fragesteller und die legalen Vereine werden kriminalisiert.

Bevorzugt vorgeladen werden Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Ein Betroffener wartete seit Jahren auf die Entscheidung in seinem Asylverfahren. Nachdem er beim Verhör nicht die gewünschten Angaben gemacht hatte, traf sofort seine Ablehnung ein. Der Kurde klagte dagegen, die drohende Abschiebung wurde vom Gericht vorläufig gestoppt.

Ein ähnliches Vorgehen ist auch aus anderen Bundesländern bekannt. Baden-Württemberg gehört zu den Ländern, in denen Kurdinnen und Kurden am meisten kriminalisiert werden. Seit vergangenem Jahr läuft in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen Veysel S., Agit K., Evrim A., Özkan T. und Cihan A. Die nächste Hauptverhandlung findet am 17. September statt.