Stuttgarter 129a/b-Verfahren wird fortgesetzt
Das wegen der Corona-Pandemie unterbrochene §129a/b-Verfahren vor dem OLG Stuttgart gegen fünf kurdische Aktivist*innen wird diese Woche wiederaufgenommen.
Das wegen der Corona-Pandemie unterbrochene §129a/b-Verfahren vor dem OLG Stuttgart gegen fünf kurdische Aktivist*innen wird diese Woche wiederaufgenommen.
Wie der Kölner Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden Azadî e.V. mitteilt, wird das Hauptverfahren gegen fünf kurdische Aktivist*innen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart diesen Donnerstag (28. Mai), um 9 Uhr in der Aspergerstraße 47 in Stammheim, nach einer zweimonatigen Aussetzung wegen der Coronavirus-Pandemie wiederaufgenommen. Der nächste Termin ist auf den 15. Juni festgelegt. Ab Juli wird jede Woche donnerstags und freitags verhandelt.
In dem Prozess, der am 16. April 2019 eröffnet worden war, wird den Angeklagten vorgeworfen, Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ gewesen zu sein bzw. diese unterstützt zu haben. Außerdem werden sie der Freiheitsberaubung, versuchten Nötigung und gefährlichen Körperverletzung beschuldigt.
Die Anklage der Bundesanwaltschaft basiert maßgeblich auf den Aussagen eines Kronzeugen, der seinen Angaben zufolge für die PKK tätig gewesen sein soll. „Während dieser Zeit hat er teilweise für die deutsche Polizei gearbeitet und sein Wissen über die Organisation offenbart. Ridvan Özdemir, der sich mit neuer Identität im Zeugenschutzprogramm des Landeskriminalamtes an einem unbekannten Ort aufhält, hat inzwischen umfänglich ausgesagt und die Angeklagten belastet. Allerdings hat sich mittlerweile herausgestellt, dass der Zeuge größtenteils unglaubhafte Angaben gemacht und in wesentlichen Anklagepunkten gelogen hat“, erklärt der Rechtshilfefonds.
Nicht zuletzt habe dies dazu geführt, dass der Haftbefehl der angeklagten Kurdin Evrim A. außer Vollzug gesetzt und sie freigelassen worden ist. Nicht inhaftiert ist auch Cihan A.
Befragungen des Kronzeugen durch die Verteidiger*innen waren nicht möglich, weil dieser von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht hatte. Sie hatten bereits zu Prozessbeginn kritisiert, „dass das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Kriminalisierung kurdischer Aktivisten“ dazu führe, dass sie sich für die „Rachegelüste eines abgewiesenen Liebhabers instrumentalisieren“ lasse.
Nach Angaben von Azadî e.V. befinden sich zurzeit acht kurdische Aktivisten wegen „Terrorismusvorwurfs“ in Untersuchungshaft in Baden-Württemberg, Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Bremen. „Die Verteidiger*innen haben wegen des erhöhten Risikos für eine Übertragung von COVID-19 in den Gefängnissen versucht, für ihre Mandanten eine Unterbrechung der Haft zu erreichen. Unter ihnen befinden sich ältere Gefangene mit chronischen Erkrankungen, teils als Folge erlittener schwerer Folter in türkischer Haft. Entsprechende Anträge wurden von den OLG-Senaten jedoch abgewiesen und mit Fluchtgefahr begründet. In einigen Fällen wurde den Inhaftierten allerdings erlaubt, mit ihren Familienangehörigen per Skype zu kommunizieren“, erklärt eine Mitarbeiterin des Rechtshilfefonds.
„Wie die türkische Regierung, die explizit die politischen Gefangenen per Gesetz von einer Freilassung ausgeschlossen hat, beharren auch die bundesdeutschen Justizbehörden in dieser Situation auf einer Inhaftierung der Gefangenen. Obwohl die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet bereits am 25. März die Gruppe der Gefangenen als ‚extrem verletzliche Gruppe‘ bezeichnet und die Regierungen aufgefordert hatte, Lösungen zu finden, um die vom COVID-19-Virus bedrohten Menschen – wie Alte und Kranke - aus der Haft zu entlassen“.