Bayik: Die Debatte über Ansprechpartner ist unsinnig

In der Türkei wird eine Debatte darüber geführt, wer möglicher Ansprechpartner für eine Lösung der kurdischen Frage sein kann. Cemil Bayik (KCK) bezeichnet die Diskussion als unsinnig, weil Öcalan selbst immer auf das Parlament verwiesen hat.

Cemil Bayik hat sich als Ko-Vorsitzender der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) in einer Sondersendung bei Stêrk TV zu aktuellen Themen geäußert. Bayik erklärte in der am Dienstagabend ausgestrahlten Sendung unter anderem, dass der seit 2015 vom türkischen Staat umgesetzte Vernichtungsplan gegen die kurdische Befreiungsbewegung gescheitert sei und das nächste Ziel das Ende der Erdogan-Ära sei. Die AKP/MHP-Regierung habe bei ihrer Vernichtungspolitik die Unterstützung der Oppositionsparteien genossen, sei jedoch am Widerstand der kurdischen Bewegung gescheitert. Aus diesem Grund habe die CHP jetzt die kurdische Frage auf die politische Agenda gesetzt. Laut Bayik geht es dabei jedoch nicht nur um Wahlkampf.

Der KCK-Vorsitzende wurde in der TV-Sendung zu seiner Meinung über die in der Türkei laufenden Berechnungen hinsichtlich der Post-Erdogan-Ära und den jüngsten Schachzug der Republikanischen Volkspartei (CHP) gefragt. Bayik antwortete darauf, dass in einigen Kommentaren die Ansicht vertreten wird, die CHP habe die kurdische Frage lediglich mit Blick auf die kommenden Wahlen angesprochen. Dieser Aspekt sei vermutlich richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Die AKP/MHP-Regierung habe wiederholt erklärt, die PKK zu vernichten und damit die kurdische Frage innerhalb kurzer Zeit lösen, so Cemil Bayik:

„Und dafür wollte sie Unterstützung von den anderen Parteien. Diese Parteien haben daran geglaubt und manchmal offen, manchmal schweigend Unterstützung geleistet. Sie sind davon ausgegangen, dass die kurdische Frage gelöst wird, wenn die AKP die PKK ausschaltet. Inzwischen haben sie erkannt, dass das eine Fehleinschätzung war. Die Vernichtungspolitik ist durch den Kampf der PKK gescheitert und die kurdische Frage hat eine noch größere Dimension angenommen. Aus diesem Grund hat die CHP das Thema erneut auf die Agenda gebracht. Wenn wir nicht für ein Scheitern der AKP/MHP-Politik gesorgt hätten, hätte die CHP gar nicht den Mut dazu aufgebracht. Die CHP gibt es schon ewig, warum hat sie die kurdische Frage nicht schon früher thematisiert? Schließlich ist dieses Problem nicht neu, es besteht seit hundert Jahren. Ich möchte an dieser Stelle jedoch betonen, dass wir zur Unterstützung bereit sind, wenn sich wer auch immer in der Türkei für eine Lösung der kurdischen Frage einsetzt. Wenn es sich nur um ein taktisches Manöver handelt, wird es ohnehin früher oder später auffliegen. Wir müssen alle ermutigen, die die kurdische Frage zur Sprache bringen, damit sie einen konkreten Schritt setzen können.“

Bayik ging außerdem auf die in der Türkei angestoßene Debatte über die möglichen Ansprechpartner für eine Lösung der kurdischen Frage ein. Die Diskussion darüber, ob Abdullah Öcalan der Ansprechpartner sei, bezeichnete der KCK-Vorsitzende als „unsinnige Verdrehung“. Für die Kurd:innen stehe das nicht zur Diskussion und Öcalan vertrete selbst seit Jahren die Ansicht, dass der Ort für eine Lösung das Parlament und der Ansprechpartner die HDP sei. Über dieses Thema habe Öcalan mit der HDP gesprochen und gesagt: „Sprecht mit allen Parteien, damit das Thema ins Parlament eingebracht wird. Es sollte ein parlamentarischer Ausschuss eingerichtet werden. In dem Ausschuss werde dann auch ich sprechen.“

Öcalan habe immer auf das Parlament verwiesen und auf einem gesetzlichen Rahmen bestanden, erklärte Cemil Bayik: „Denn die AKP hat keine Politik vertreten, mit der die kurdische Frage hätte gelöst werden können. Abdullah Öcalan hat die AKP als Mittel zum Zweck genutzt, weil ihm klar war, dass die AKP nur die Wahlen gewinnen und an der Macht bleiben will. Deshalb hat er betont, dass die Frage im offiziellen Rahmen gelöst werden muss.“