Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. spricht dem am 24. August in München verstorbenen Friedensaktivisten Claus Scheer einen persönlichen Dank für seine Widerständigkeit aus. Im aktuellen Infodienst schreibt Monika Morres für alle AZADÎ-Aktiven:
„Wie oft habe ich seinen Namen in unseren AZADÎ-Infos geschrieben, wenn es wieder einmal darum ging, über die ,bayerischen Verhältnisse' zu berichten und darüber, dass Claus Schreer zu jenen gehörte, die zig-Mal vor die Gerichte gezerrt wurden, weil er angeblich verbotene kurdische Symbole gezeigt hatte. Er verteidigte sich politisch und stand zu seinen Überzeugungen. Das hat er auch am 23. November 2019 mit seinem Auftritt auf der Regionalkonferenz von AZADÎ und dem Kurdischen Gesellschaftszentrum e.V. in München über die Kriminalisierung von Kurd:innen am Beispiel von Bayern getan. Gemeinsam mit der Filmemacherin Uli Bez hat er unter dem Motto ,Repression trifft Einzelne, gemeint sind wir alle' über die persönlichen Erfahrungen, über Gegenwehr und Perspektiven berichtet. Er war ein Beispiel dafür, dass Widerständigkeit nicht an ein Alter gebunden ist, wohl aber an Überzeugung, Menschlichkeit, Beharrlichkeit, Unbestechlichkeit und Kontinuität. Dafür sei Claus Schreer gedankt – dafür wird er nicht vergessen.“
Claus Schreer auf der Regionalkonferenz von AZADÎ in München, 23.11.2019 (ANF)
Solidarität mit dem kurdischen Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung
Auf der Demonstration zum 20. Todestag von Andrea Wolf (Ronahî) am 27. Oktober 2018 in München hielt Claus Schreer einen Redebeitrag, der bis heute nichts an seiner Gültigkeit verloren hat:
„Liebe Freundinnen und Freunde, anlässlich des 20. Todestages der Ermordung von Andrea Wolf durch das türkische Militär demonstrieren wir heute gegen die Verbrechen des Erdogan-Regimes – gegen die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft – und wir solidarisieren uns mit den Kurdinnen und Kurden, die für Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen.
Im Auflagenbescheid des Münchner Kreisverwaltungsreferats für die heutige Demonstration steht: Beim Zeigen oder Verwenden der Kundgebungsmittel, die die Kennzeichen der YPG, YPJ oder PYD tragen, darf keinerlei Bezug zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans oder zu Abdullah Öcalan hergestellt werden.
Weiterhin heißt es: Die Versammlungsteilnehmer dürfen keine Fahnen, Abzeichen, Transparente, Schilder oder Handzettel öffentlich zeigen oder verbreiten, die mit dem Abbild Abdullah Öcalans versehen sind.
Diese Verbote sind absolut inakzeptabel. Die Selbstverteidigungskräfte YPG und YPJ waren die entscheidenden Kräfte, die die Terrorbanden des IS in Nordsyrien vertrieben haben und die jetzt den nordsyrischen Kanton Efrîn und ihr basisdemokratisches System der Selbstverwaltung gegen den Angriff der türkischen Armee verteidigen. Es ist selbstverständlich das Recht aller Kurdinnen und Kurden, sich mit ihrer Befreiungsbewegung zu solidarisieren.
Geradezu skandalös ist das Bilderverbot des Kreisverwaltungsreferats. Das Verbot, Abbildungen von Abdullah Öcalan zu zeigen, ist ein massiver Angriff auf das im Grundgesetz, Art. 5, garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung. Wir werden das Verbot nicht akzeptieren und dagegen vor Gericht klagen.
Abdullah Öcalan befindet sich seit 19 Jahren als politischer Gefangener in türkischer Isolationshaft. Seit Jahren macht er Vorschläge für die Beendigung jeder Gewalt und für eine friedliche Lösung des Konflikts. Doch Erdogan erklärt alle, die sich in der Türkei für Dialog einsetzen, zu Terroristen. Er antwortet mit Krieg und Repression gegen die Kurdinnen und Kurden.
Es war das gute Recht der Anti-Apartheid-Bewegung, für die Freilassung Nelson Mandelas zu kämpfen. Genau so ist es heute das Recht der Kurdinnen und Kurden und das Recht aller Demokraten in der Bundesrepublik, die Freilassung von Abdullah Öcalan und aller politischen Gefangenen zu fordern. Dieses Recht lassen wir uns nicht nehmen, weder vom Innenminister, weder von den Behörden, noch von der Polizei.
Wir demonstrieren heute gegen die jahrzehntelange Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung. Seit mehr als 30 Jahren führt der türkische Staat einen blutigen Krieg gegen die Kurden, mit Massakern an der Zivilbevölkerung, und seit mehr als 30 Jahren liefert Deutschland die Waffen für diesen Krieg. Deutsche Leopard-Panzer waren auch jetzt wieder beim völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei gegen Efrîn im Einsatz. Doch die Bundesregierung macht einen Kniefall nach dem Anderen vor dem despotischen Erdogan-Regime. Sie rollt dem Despoten rote Teppiche aus und nun sollen auch noch die politischen Gefangenen ,unsichtbar' gemacht werden.
Wir fordern ein sofortiges Ende des völkerrechtswidrigen Krieges der Türkei gegen die Kurdinnen und Kurden in Nordsyrien. Und wir fordern die sofortige Beendigung der Komplizen- und Waffenbrüderschaft Deutschlands mit der Türkei. Wir fordern die Aufhebung des PKK-Verbots und die Beendigung aller Repressionen gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland. Terroristisch ist nicht die PKK, terroristisch sind nicht die kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Nordsyrien – terroristisch ist der türkische Staat."
Claus Schreer, 27.10.2018 in München (Foto: Internationalistische Freund:innen)