Am Samstag findet in Bagdad eine Regionalkonferenz statt, zu der mehrere Staats- und Regierungschefs der irakischen Nachbarländer, darunter Saudi-Arabien und die Türkei, eingeladen sind. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat seine Teilnahme angekündigt. Der Demokratische Kurdische Rat in Frankreich (CDK-F) erklärt dazu: „In einer Zeit der schweren Krise im Mittleren Osten findet am 28. August eine wichtige Regionalkonferenz in Bagdad statt. Diese gemeinsam mit Paris organisierte Konferenz wird zweifellos eine Zusammenkunft sein, auf der die anwesenden Landesvertreter neue Abkommen treffen werden.“
Der kurdische Dachverband zeigt sich angesichts der Konferenz besorgt und ruft Macron auf, die Kurdinnen und Kurden nicht zu vergessen. Zum Hintergrund der Besorgnis heißt es in der Erklärung: „Die Türkei hat am 23. April eine Militäroperation zur Besatzung der Region Südkurdistan gestartet. Um ihre Besatzungsabsichten zu verschleiern, hat sie die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) an ihre Seite geholt und stellt die Invasion als Krieg gegen die PKK dar. Wie in Syrien, Berg-Karabach, Libyen, Zypern oder im östlichen Mittelmeer geht es auch bei dieser Operation um die expansionistische Praxis des türkischen Staates.
Einhergehend mit ihrem paradigmatischen Wandel versucht die PKK, die kurdische Frage unter Bewahrung der staatlichen Gesamtheit der Länder Türkei, Irak, Iran und Syrien zu lösen. Obwohl die PKK diverse Male einseitige Waffenstillstände ausgerufen und ihre Absicht zu einer Lösung über einen Dialog erklärt hat, haben die jeweiligen türkischen Regierungen alle Möglichkeiten für eine friedliche Lösung der Reihe nach zunichte gemacht. Zuletzt hat die Erdogan-Regierung den Friedensprozess aufgekündigt und Abdullah Öcalan als Verhandlungspartner und führenden Vertreter des kurdischen Volkes unter strikte Isolation gestellt. Damit hat eine breitangelegte und blutige Operation begonnen, mit der das kurdische Volk und seine gesamten Errungenschaften eliminiert werden sollen.
Die Erdogan-Regierung hat über die Einsetzung staatlicher Treuhänder die Macht in Dutzenden kurdischen Gemeinden übernommen. Zahlreiche kurdische Abgeordnete und Bürgermeister:innen sind des Amtes enthoben worden, Zehntausende Kurdinnen und Kurden wurden verhaftet. Die Türkei hat in Nordsyrien die Gebiete Efrîn, Azaz, Girê Spî und Serêkaniyê besetzt. Bei den türkischen Luftangriffen sind unzählige Menschen getötet worden, in Şengal und Efrîn wurden Krankenhäuser bombardiert. Um den Mittleren Osten und Europa zu destabilisieren, arbeitet die Türkei mit dschihadistischen Organisationen wie dem IS, al-Qaida und der Muslimbruderschaft zusammen. Sie hat den IS und al-Qaida für schreckliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung bewaffnet, finanziert und unterstützt. Auch für den Genozid an den ezidischen Kurd:innen in Şengal hat die Türkei Islamisten unterstützt.
Die Türkei gilt als unverzichtbarer Bündnispartner der Weltmächte und ist gleichzeitig auch für den IS und al-Qaida unverzichtbarer Partner. Sie zwingt ihren Bündnispartnern einen Krieg auf, der nicht der ihre ist. Insbesondere Frankreich wird dazu gedrängt, die Vernichtung des kurdischen Volkes zu unterstützen. Jede ausbleibende Reaktion auf die Rechtsverletzungen der Türkei ermutigt die Erdogan-Regierung weiter. Dabei ist es nicht schwer zu begreifen, dass die tagtäglich von Efrîn bis Qendîl in Kurdistan bombardierten Kräfte dieselben sind, die gegen den IS kämpfen und seine Territorialherrschaft beendet haben.
Frankreich darf seine Bündnispartner von gestern nicht vergessen. Die ganze Welt darf nicht vergessen, dass sie der PKK aufgrund ihres Kampfes gegen den IS und für die Menschheit etwas schuldig ist.
Der Mittlere Osten ist nicht mehr wie 1916, die Kurden nicht mehr wie 1923 und die PKK nicht mehr wie in den 1990er Jahren. Die kurdische Frage kann nicht gelöst werden, wenn die PKK auf politischer Ebene ausgegrenzt wird. Es ist höchste Zeit, dass Frankreich und andere internationale Mächte sich für eine wirkliche Lösung der kurdischen Frage einsetzen. Das kann nur über einen umfassenden Dialog geschehen. Die politische Ausgrenzung der PKK bedeutet die Ausgrenzung von Millionen Kurdinnen und Kurden, die diese Bewegung unterstützen. In diesem Zusammenhang rufen wir den französischen Präsidenten dazu auf, die kurdische Frage und insbesondere die ezidische Frage bei dieser Konferenz zu berücksichtigen. Um Stabilität in Şengal herzustellen und eine Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung zu ermöglichen, muss die Autonomieverwaltung der Region anerkannt werden.
Darüber hinaus rufen wir alle verbündeten und befreundeten Organisationen sowie alle politischen Gruppen in Frankreich dazu auf, das kurdische Volk in dieser kritischen Zeit ernsthaft zu unterstützen.“